Der Gesetzesentwurf verkörperlichte damit das Gesetzgebungsprogramm der Aufklärung und des frühen Liberalismus.14 Das Gesetzeskomitee arbeitete im “Atem der Aufklärung”, mit dem Ziel, ein am individuellen Bürger orientiertes Zivilrecht zu schaffen; dies bedeutete, dass die Selbstverwirklichung des Individuums durch eigenen Fleiß und Kapital in denVordergrund trat, und dass die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Bindung an die intermediären Körperschaften der Gesellschaft - vor allem Stand und Zunft - aufgelöst werden sollten. Nach dem Entwurf sollten Gewerbefreiheit eingeführt, die außerordentlichen Gerichte, welche in hohem Maße mit der korporativen Struktur der Gesellschaftsorganisationen verknüpft waren, abgeschafft, und die Frau mit Erreichen eines gewissen Alters automatisch mündig werden, um einige Beispiele für derartige für die Gesellschaft des damaligen Schwedens revolutionierende Änderungen zu nennen.Die vielleicht interessanteste Besonderheit im Entwurf des Zivilgesetzbuches ist dieVerankerung eines autonomen Rechtssubjekts, welches sehr vom Statusdenken der Standesgesellschaft entfernt war.15 Durch die Schaffung eines allgemeinen und gleichwertigen Rechtssubjekts sollten alle Bürger vor dem Gesetz formell gleichgestellt sein.16 Die abstrakte Rechtssubjektivität sollte daher den Gravitationspunkt im Privatrecht darc l a e s p e t e r s o n 216 14 Olof Zenius hatte bereits 1809 dem Sozialmodell der Aufklärungszeit und dessen Gesetzgebungsideologie in einer anonymen Broschüre mit demTitel “Om näringsfrihet” Ausdruck verliehen. Siehe Peterson, Lagstiftning eller självreglering, S. 224 ff. 15 In bezug auf die sogenannte Statuslehre siehe Claes Peterson, Från romerskrättsligt statustänkande till en allmäneuropeisk rättssubjektivitet: den svenska utvecklingen 1750 – 1850, in Festskrift till Åke Frändberg, Uppsala 2003, S. 201 ff. 16 Siehe z.B. die Begründung zur Abschaffung des forum privilegiatum des Adelsmannes: “Das persönliche Recht, von anderen als gemeinem Gericht verurteilt zu werden, ist ein Privilegium, leitet sich daher ab, wie auch mehrere Ausnahmegesetze von einerlei Art, von Verhältnissen, völlig verschieden zu den, welche zur derzeitigen Staatsverfassung gehören.Von jetzt an hat der Unterschied, welcher früher die Mitglieder eines gewissen Standes und Gesellschaft vom gemeinen Mann trennte, seine Bedeutung verloren.Alle sind gleich vor dem Gesetz. Des einen Recht ist nicht heiler, als das des anderen. Das Gericht, das gut genug für einen ist, ist gut genug für alle”, Lagkommitténs Förslag till Allmän Civillag, Stockholm1826, Motiver S. 255. Gesehen im Lichte der Streits, welche der Abschaffung des Standesreichstages in der Mitte der 1860er vorausgingen, ist diese Aussage ohne Zweifel radikal.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=