scher Rechtswissenschaftler würde sicherlich nie, wie Hellner, die praktische Bedeutung des Rechtsquellenbegriffes verleugnen. Auf anderer Seite ist der tatsächliche Nutzen des französischen Begriffes source de droit begrenzt. Ein Zug von formalistischer Normativität hat dessen Substanz geraubt. Die Sonderstellung des geschriebenen Rechts hat einen Standard geschaffen, mit welchem sich die übrigen Rechtsquellen messen müssen. In moderner Zeit kann eine Entwicklung zu einem erweiterten Rechtsquellenpluralismus beobachtet werden. Diese Problematik zu meistern, wurde anscheinend zur wichtigsten Aufgabe der französischen Rechtsquellenlehre.70 Das Ziel dieses Kapitels ist, die Argumentation in der Debatte über die Rechtsquellen Praxis (4.1), Sitte (4.2), und Doktrin (4.3) zu untersuchen. Der Rechtsquellenpluralismus kann am besten indirekt in neuzeitlichen Klagen über la crise des sources du droit studiert werden und in der Kritik gegen das mangelndeVermögen der heutigen Kodifikationen, die ursprünglichen Ansprüche auf Gesamtheit und Fixierung des Rechts zu erfüllen (4.4). Die Spaltung zwischen Rechtsbildung und Rechtsanwendung tritt deutlicher hervor imVerhältnis zwischen Gesetz und Praxis als zwischen Gesetz und übrigen Rechtsquellen.Wie bereits bei Portalis eingeräumt wurde, besitzt la jurisprudence ein besonderes Vermögen, Unklarheiten und Lücken in der Gesetzgebung zu definieren. Die Bedeutung der Praxis als Inspiration und Feedback für den Gesetzgeber sind die Eigenschaften, die besonders betont werden. Dupeyroux ist ein typischer Repräsentant für die Auffassung, dass die Praxis eine “indirekte Rechtsquelle” ist. Das Hauptproblem betrifft die Frage, in wieweit das Präjudiz eine wirkliche rechtsbildende Fähigkeit besitzt71 und welche Stellung r i c h a r d n o r d q u i s t 184 4 . 1 Praxis 70 “Depuis la révolution, le droit français fait de la loi la source principale de droit ... , mais le rôle de la jurisprudence ... , de la coutume ... , des principes généraux ... ou de la doctrine restent à préciser.”, R. Cabrillac, supra n. 52, s. 82. 71 “Il n’est pas douteux ... que la jurisprudence constitue en France une source indi-
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