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gesagt beruht diese Kritik auf dem Argument, dass das Rechtssystem andere, für eine Rechtsvereinheitlichung wesentlich mehr bedeutungsvollere Kräfte als das geschriebene Gesetz besitzt. Jeder Jurist hat kraft seines Wissens und seiner Fähigkeit, rechtliche Probleme zu lösen, eine eigeneVerantwortung für die Einheit des Rechtssystems.4 Umfassende Gesetzgebungsvorhaben werden damit bloße Symptome des Mangels an Ziel und Methode in der Rechtswissenschaft. Die absolute Erhebung des geschriebenen Rechts, bewirkt durch die Kodifikation, läuft Gefahr, auf Dauer ein Ungleichgewicht im gesamten Rechtssystem zu schaffen. Diese prinzipielle Kritik, wie auch die Behauptung, dass die liberale nordische Rechtsquellenlehre in einem “gegensätzlichenVerhältnis zur gesetzesfokussierten Rechtsquellenlehre der sogenannten französischen exegetischen Schule”5 steht, hat zur Folge, dass gerade das französische Recht als Objekt für die übergreifende Frage dieser Arbeit passend erscheint: Welchen Einfluss übt die Kodifikation als Methode der Rechtsbildung langsichtig auf die juristische Methodenlehre aus? Als rechtstheoretischer Hintergrund werden zuerst die legitimierenden Elemente der Kodifikationsmethode beschrieben (1) und Savignys gegensätzliche Position (2). Danach folgt eine Untersuchung der eigenartigen Spaltung zwischen Rechtsbildung und Rechtsanwendung im Code Civil und ein gegensätzliches Bild in Form des schwedischen Rechtsquellenbegriffes (3). Darauf folgt eine übersichtliche Schilderung welche Attitüden und Argumente in der französischen rechtswissenschaftlichen Debatte über die Rechtsquellen Praxis, Sitte und Doktrin vorgekommen sind (4). r i c h a r d n o r d q u i s t 158 4 Genau dies macht Fauvarque-Cosson skeptisch: “La communauté de destin des peuples européens appelle une dose de droit commun, mais gardons-nous d’un constructivisme juridique, trop hâtif pour s’intégrer dans la culture de chaque Etat membre. Aucun législateur ne saurait, en quelques années, inventer une culture juridique européenne.”, s. 473; der Juristenunterricht spielt eine wichtige Rolle: “Des années, des décennies même, s’écouleront avant qu’une culture juridique imprègne les esprits par la voie de l’enseignement du droit.”, s. 474. 5 L. Björne, Nordisk rättskällelära - Studier i rättskälleläran på 1800-talet, Lund (1991), s. 16.

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