d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 123 Während die hellseherische Gabe eines Tocquevilles ihm ermöglicht zu ahnen, dass das Christentum etwas Lebendiges ist, das zu vorzeitig zusammen mit den Toten - und zwar mit den politischen Mächten des Ancien Régime – begraben worden ist, und deswegen ohne weiteres zur Auferstehung bestimmt, übernimmt Gobineau mit seiner “rage de novateur” die Rolle des Erneuerers.21 In diesem Gespräch gilt Gobineaus Position via Montesquieu als Idealtypus von jenem postmachiavellianischen Denken von der Herrschaft des Politischen über das Religiöse, das in dem postrevolutionären Frankreich zwischen zwei verschiedenen Lösungen occasionalistisch schwankt. Zum Einen auf der Suche nach einer gemeinsamen Moral, die, indem sie die soziologische Realität des Katholizismus als Träger benutzt, konkret zu einer Verwandlung der Religion drängt, um sie dann als Basis für ein mehr oder weniger bestimmt ausgedrücktes politisch-gesellschaftliches Credo zu instrumentalisieren: so die Costitution civile du clergé von1790 und das Konkordat von1804. ZumAnderen auf der Suche nach einer religion civile, einer zivilen bzw. bürgerlichen Religion,man denke hier z.B. an Rousseau,Robespierre und andere, die an die Stelle der institutionellen Religion treten soll und sie vollständig ersetzen müsste, weil sie (entgegen Tocqueville) als Feindin der neuen Konfiguration der Freiheit gilt.22 Beide säkularisierenden Lösungen konvergieren in demselben Ziel, und zwar in der gemeinsamen Meinung einer nötigen Privatisierung der Religion als Korollarium des Aufbaus des modernen Staates. Und dies alles, wie schon Eric John Hobsbawm werden, die in der Emanzipation partiell berechtigter Methoden von einem allein sinngebenden Gesamtzusammenhang besteht.Wenn nicht alles täuscht, hat Horkheimer in seinen späteren Äusserungen bei aller skeptischen Distanz gerade aus der Einsicht in jene positivistische Gefahr auchVerständnis für humanistische Potentialitäten christlicher Religion gewonnen”). 22 Vgl. insbesondere S. 201-202.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=