d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 119 Überdies bin ich sicher, dass ein solcher Versuch, diese theologisch-politische Einstellung für die Rechtsgeschichte erstmals brauchbar zu machen, womöglich ketzerisch klingen wird11, insbesondere in Bezug auf verschiedene vertraute oder sogar vorherrschende Interpretationen. Dies betrifft meiner Meinung nach nicht so sehr die gängige positivistische oder die strikt philologische Geschichtsschreibung, sondern hauptsächlich jene, die progressiv zu nennen wäre.12 In dieser Perspektive liegt es dann nahe, einen derartigenVersuch schlicht und einfach als reaktionär bzw. traditionalistisch oder bestenfalls als überholt abzulehnen. Das Risiko könnte sich sogar steigern, wenn man überlegt, dass das ketzerische oder, je nach Wunsch, kritische Potential eines solchenVersuches eine besonders starke Infragestellung gerade jener These darstellen dürfte, die annäherungsweise als “republikanisch” zu definieren wäre, – und das, nicht nur unter Einbeziehung der französischen Historiographie. Es ist vermutlich schwierig, knapp und gleichzeitig präzise eine Sinndeutung dieses Adjektives zu geben.Als vorläufiges, aber bedeutungsvolles Beispiel könnte man sich hier die wichtige Formel von Carbonnier vergegenwärtigen, die Gaudemet neulich, nicht zufällig anlässlich einer ähnlichen Jubiläumsfeier, wieder aufgenommen hat. Sie lautet bekanntlich folgendermaßen: “Le Code civil, constitution civile de la France”.13 Zusammenfassend, und wenn es erlaubt ist, möchten wir von unserer Seite eine andere Formel vorschlagen : das französische 11 Wobei ich dasWort ganz vorsichtig benutzten möchte, in Erinnerung an einen Satz von Ceronetti, der folgendermassen lautet: “Das Wort Ketzer klingt heutzutage wie eine Absolution”, zitiert nach Botho Strauss, Die Fehler des Kopisten, Dtv, München 1999, S.110. 12 Als Einführung können auch heute weiterhin die Überlegungen gelten, die bereits zu lesen waren bei G. Friedmann, Le Progrès: Dignité ou Déchéanche, Liberté ou Servitude, in Sociologica - Aufsätze für Max Horkeimer, in Frankfurter Beiträge zur Soziologie Bd.1 F.a.M.1955, S. 279-304.Vgl. auch X. Martin, À propos d’un livre.Target, Bentham et le code civil, in: Revue D’Histoire des Facultés de Droit et de la Science juridique, 2000 - n°21, S. 121-148. 13 Vgl. Y. Gaudemet, Le Code Civil « Constitution civile de la France », in : 1804-2004 Le Code Civil. Un passé, un présent, un avenir, Dalloz, Paris 2004, S. 297-308.
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