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Carlos Petit 260 nien geltenden Studiengänge zu beschreiben. Es scheint sogar schwierig, die Beschreibung auf die rechtshistorischen Fächer zu begrenzen, die uns bier am meisten interessieren. Ich werde mich im Folgenden darauf beschränken, die strukturellen Ziige der juristischen Bildung in Spanien aufzuzeigen und die auffälligsten Tendenzen herauszustellen. Gleich zu Beginn eine schreckliche Beobachtung. Das juristische Wissen wird in der Universität noch immer so organisiert wie vor 50Jahren - das heilk in Wirklichkeit, so wie es vor iiber einem Jahrhundert organisiert wurde. Natiirlich haben sich die Inhalteverändert, aber immer noch existiert, in diesen unseren Zeiten der Deskodifikation, der konstitutionellen Definition der Rechtsordnung ein vom „Handelsrecht“ akademisch getrenntes „Zivilrecht“, ein „Prozessrecht“ neben, aber doch unterschieden von einem „Strafrecht“ oder „Verfassungsrecht“, und ein „Verwaltungsrecht“, das der letztgenannten Spezialisierung ihr Gebiet streitig macht. Mit einemWort, wir finden uns weiterhin vor einer Konstellation von Fächergemeinschaften, die aus einer vor langer Zeit iiberwundenen Epoche stammen — aus der Phase des liberalen Rechtsstaats - die wenig zu tun hat mit der aktuellen juristischen Erfahrung. Es scheint also, dass die ungeheure Kluft zwischen der aktuellen Rechtsordnung und den akademischen Disziplinen, die ihrem Studium dienen sollen, unuberbriickbar ist, und so werden auch die letzten Reformen, die nicht ein Quentchen Bewusstsein der grundlegenden Problematik erkennen lassen, ihrerseits wieder ständig reformiert. Mit der traditionellen Spezialisierung werden auch implizite Postulate und Zeichen der Identität beibehalten. Die Rechtsgeschichte kann noch heute, wie im 19. Jahrhundert, dazu dienen, ein „nationales“ Bild der Gesetzgebung zu untermauern, sei es die regionale katalanische, asturische oder baskische oder die des spanischen Staats und - jetzt auch - die gemeinschaftliche europäische. Einige Fächer der „Rechtsgeschichte“ und des „Römischen Rechts“ finden sich noch am Anfang des Studiums, erstere mit dem beigefugten Adjektiv „spanisch“. Das wird immer noch hervorgehoben in der offiziellen Definition des Inhalts rechtsgeschichtlicher Veranstaltungen fiber „Grundlegende Strukturen und die Entwicklung des spanischen Rechts“. Das Each „Römisches Recht“ seinerseits soil „Das Recht in Rom und seine Rezeption in Europa“ zeigen. Und hier beginnen die Probleme. In der akademischen Praxis ist es nicht iiblich, aus dem Geist der Verfassung heraus jene intensive Bezugnahme aufs „Spanische“ imhistorischen Each zu interpretieren, die anscheinend noch imalten Glauben eines „ewigen Spanien" verankert ist. Ebensowenig empfindet jemand Skrupel bei der Reduktion ope legis des komplexen Phänomens des ins commune aufs simpel Anekdotische einer „Rezeption“ des römischen Rechts. Da sein Studium den Romanisten tiberlassen wurde, die iiblicherweise diesen Quellen und dieser Zeit fernstehen, will oder kann in Spanien niemand die kanonische Komponente jener Erfahrung erinnern. Hat man aber dem historischen Europa auf diese Weise seine konstitutive religiöse Komponente

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