Rechtsgeschichte und Europäisches Recht Ein Bericht aus Spanien Von Carlos Petit Heute, wo die Krise der positivistischen Geschichtsschreibung erlaubt, dass wir uns iibungshalber vom Faktischen entfernen, können wir in Gedanken diese schöne Stadt Stockholm verlasssen und uns zum Beispiel nach Madrid versetzen, wo, nehmen wir einmal an, eine hypothetische „Stiftung Pérez“ gerade ihr fiinfzigjähriges Bestehen feiert, die sich der Finanzierung von Forschungsprojekten imBereich der Rechtsgeschichte gewidmet hat. Bei der Gelegenheit können wir dann einen Uberblick iiber die Rechtsgeschichte geben, wie sie in Spanien während dieser langen Zeitspanne geschrieben und gelehrt worden ist. Und schlieFIich, wenn wir an deren Fnde angekommen sind, können wir uns fragen, wie das Furopäische Recht durch die Fehre an den spanischen Universitäten vertreten ist. Dass die Wichtigkeit dieser letzten Frage in Verbindung mit der Rechtsgeschichte gesehen wird, dass sie gerade bei einer Zusammenkunft von Rechtshistorikern gestellt wird, enthalt schon den ersten Hinweis auf die Antwort, die wohl das Kernsttick dieser kurzen Darstellung ausmacht. Wir befinden uns also in Madrid, es ist der 19. November 1947. Vor Kurzem sind die Spanische Universität und ihre juristischen Fakultäten neu organisiert worden (1944), aber abgesehen von den Präambeln zu den Vorschriften, in denen ein totalitärer Gesetzgeber sich redselig und kämpferisch zeigt, sind kaumAnderungen an der traditionellen Ordnung des Jurastudiums festzustellen. Der Stoffplan stammt aus dem 19. Jahrhundert, genau gesagt aus demJahr 1883, wo jener Studiengang entstand, der, ausgehend von einemnoch nicht als Gesetz kodifizierten „Zivilrecht“, die Fehrstiihle fiir „Allgemeine Geschichte des spanischen Rechts“ schuf. Jetzt wird jenes „Zivilrecht“, endlich umgewandelt in Recht des Zivilgesetzbuches und als Fckpfeiler des Jurastudiums in der Lehre stärker vertreten. Fin Fach „Römisches Recht“ verstärkt die dominierende Rolle, die dem „Zivilen“ zukommt, denn sie versteht sich als grundlegende Finftihrung in die Dogmatik des Privatrechts. Natiirlich gibt es keine Konstitution und also auch kein entsprechendes Verfassungsrecht, aber man
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