Die rechtshistorische Forschung in Osterreich 241 III. Europäische Dimensionen A. Privatrechtsgeschichte Wie grundsätzlich erwähnt, ist die Privatrechtsgeschichte von ihrem Gegenstand her in besonderer Weise auf europäische Beziige angewiesen und ausgerichtet. Allerdings bedarf es hier der Differenzierung, um nicht wesentlicher Einsichten durch das Beiseiteschieben von Forschungsergebnissen verlustig zu gehen. Im Bereich der Wissenschaftsgeschichte^^ dominiert der Europabezug im Sinne einer europäischen oder teileuropäischen Gemeinsamkeit zufolge der Bedeutung des Römisch-gemeinen Rechts wie auch des Kanonischen Rechts. VomMittelalter bis gegen 1800 dokumentieren Wissenschaftspflege und Unterricht, konkret etwa auch Bibliotheksbestände, Lebensläufe vonJuristen und juristische Berufe wie das Notariat, eine rechtswissenschaftliche Verbundenheit gesamt-, vor allem kontinentaleuropäischen Zuschnitts. Allerdings verweisen Bezeichnungen wie etwa lus Romano-hispanicum oder lus Romanogermanicum auf eine Modifizierung, die schliel^lich durch das stärkere Hervortreten des nicht-römischen, etwa spanischen oder deutschen Anteils zu einer „Nationalisierung“ fiihrt. ImZeichen der einzelstaatlichen Kodifikationen und weiterer Gesetzgebungsakte löste diese schlieBlich eine „Verstaatlichung“ nicht nur der Rechtsordnung, sondern auch der Rechtswissenschaft und des Rechtsunterrichts insoferne ab, als diese Bereiche durch die Gesetzgebung der Staaten ftir jeweils nur ihr Gebiet geregelt werden. Fortdauernde Gemeinsamkeiten zufolge der iiberkommenen Institutionen und Begriffe sowie neue Gemeinsamkeiten durch eine neue Systematik sowie fortentwickelte Begrifflichkeit treten demgegeniiber in den Hintergrund. Signifikant dafiir sind etwa auch juristische Vereinigungen, die zwar teils von internationalem Zuschnitt sind, aber vor allemim19. Jahrhundert etwa mit dem DeutschenJuristentag, der Schweizer Juristengesellschaft oder der ungarischen Juristenversammlung kaumeine gesamteuropäische oder kontinentaleuropäische Dimension besitzen. Sieht man auf die Entwicklung der Rechtsquellen und schlieBlich die der Gesetzgebung, so bietet sich ein wesentlich regionaler bezogenes Bild als im Bereich der Wissenschaftsgeschichte. Das Entstehen von Rechtsbiichern im Hoch- und Spätmittelalter ergreift zwar ganz Europa, doch sind die Rechtsbiicher von meist regionalem Zuschnitt. Allerdings zeigt sich, daB sie konzeptiv fiir weite Raume gedacht sein können wie der erst später sogenannte Schwabenspiegel als „Kaiserliches Land- und Lehenrechtsbuch" mit somit reichsiiberspannender Intention. Derartige Anspriiche stoBen aber auf Grenzen, der sogenannte Schwabenspiegel beispielsweise beschränkt sich in seiner Das Folgende insbesondere nach W. Brauneder, On European Squares: Not only Roman Law, in: Fundamina 1996, 28 ff., W. Brauneder, wie FN 10, 4 ff.; Ch. Neschwara, Geschichte des österreichischen Notariats, wie FN23.
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