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Die RECHTSHISTORISCHE FORSCHUNG IN OSTERREICH sung, die inhaltlich aber am Systemder konstitutionellen Monarchie festhielt. Die Realisierung dieser Verfassung 1849 wurde begonnen, machte aber vor jener der Parlamente, des Reichstags und der Landtage, halt. Die Aufhebung der Verfassung 1849 zu Ende 1851 beendete Osterreichs erste konstitutionelle Phase. Mit den Verfassungsgrundsätzen 1852 wurde die Grundlage fur ein neues Regierungssystem geschaffen, nämlich das einer neuständisch beschränkten Monarchie. Das neuständische Element, die Landtage und eine Art Ausschufilandtag als Zentralorgan fiir die Gesamtmonarchie, wurde jedoch erst 1860 verwirklicht - bis dahin entsprach die Verfassungswirklichkeit einem Neuabsolutismus. Mit der Reichsverfassung 1861 wurde das erwähnte Zentralorgan, der Reichsrat, mit Flerrenhaus und Abgeordnetenhaus parlamentsähnlich ausgestaltet, doch gab es zu keiner der beiden Kammern Wahlen, das Abgeordnetenhaus bildete vielmehr einen Ausschublandtag. Als 1867 durch den Ausgleich mit Ungarn diesemseine konstitutionelle Verfassung von 1848 wiederhergestellt wurde, kam es auf Betreiben der 1848er im Abgeordnetenhaus auch in der cisleithanischen Reichshalfte zumErlafi einer konstitutionellen Verfassung. Mit diesen ihren Verfassungen waren Ungarn und Cisleithanien als zwei Staaten konstituiert worden, wobei aber beide Verfassungen Bestimmungen enthielten, welche sie in einer Realunion, der „OsterreichischUngarischen Monarchie“, verbanden. Das Motto fur die Verfassung Cisleithaniens 1867 lautete: Zurtick zu 1848/49. In einem Punkt allerdings erfoigte diese Riickkehr nicht: Das Parlament blieb weiterhin ungewählt — erst 1873 kam es zur Einfiihrung von Wahlen zum Abgeordnetenhaus, und zwar nach dem Muster der Landtagswahlen in einem beschränkenden Kurien- und Zensussystem. Dies entsprach nicht dem Standard von 1848/49, auch empfand man es selbst vomStåndpunkt der konstitutionellen Monarchie als unbefriedigend. Erst 1907 brachte das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht, freilich beschränkt auf Männer, den gebotenen Fortschritt. Diesem langen Manko des Parlamentarismus standen allerdings zahlreiche fortschrittliche Einrichtungen gegeniiber, die sich allesamt aus dem Gedanken des Rechtsstaates verstanden wie vor allem die Grundrechte, die seit 1867 als subjektive öffentliche Rechte ausgestaltet waren, sodann die Bindung der Verwaltung an die Gesetze imZusammenhang mit einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, vor allemschliel^lich die Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Staatsformwar die eines in autonome Länder dezentralisierten Einheitstaates, in dem diese nicht als Staaten, sondern als Kommunalverbände höchster Ordnung organisiert waren. ImHerbst 1918 kiindigte Ungarn die Realunion, auf dem Boden Cisleithaniens bildeten sich neue Staaten wie Polen und die Tschechoslowakei. Am30. Oktober 1918 schufen die deutschen Abgeordneten des Reichsrates als Provisorische Nationalversammlung fiir ihre Gebiete gleichfalls einen neuen Staat: Deutschösterreich. Dieser Staatsgriindungsbeschlufi richtete Deutschöster239

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