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Wilhelm Brauneder dafiir aber das Schweizerische Obligationenrecht von 1881 prägt. Der Deutsche Juristentag als Forum der Juristen des Deutschen Bundes, gegriindet 1860, bildet eine gemeinsame wissenschaftliche Plattformweit fiber das Ende des Deutschen Bundes hinaus bis zumJahre 1933. Auch die nahezu die gesamte deutschsprachige, ungarische, polnische, italienische wie ein wenig auch die französische Wissenschaft ergreifende Methode der Historischen Rechtsschule fördert ein gemeinsames mitteleuropäisches Rechtsdenken. Spätere Rechtsschulen wie die Interessenjurisprudenz, die Freie Rechtsschule oder die Rechtstatsachenforschung bleiben gleichfalls nicht Staatsgrenzen verhaftet, sondern sind vielmehr von mitteleuropäischem Zuschnitt. Zummitteleuropäischen Wissenschaftsaustausch tragen auch die Berufslaufbahnen von Universitätslehrern bei. So-^ werden etwa Heinrich Ahrens, Albert Schäffle, Theodor Inama-Sternegg und vor allem Lorenz v. Stein und Rudolf v. Jhering aus deutschen Staaten nach Osterreich berufen, von hier dorthin beispielsweise GeorgJellinek, Felix Stoerk und auch wieder Jhering. Ein Denken in gemeinsamen Begriffen sowie eine gemeinsame Terminologie erleichtert die juristische Kommunikation in einem nahezu selbstverständlich gewordenen Ausmafi. Während des Ersten Weltkrieges ist es daher beispielsweise dem österreichischen Obersten Gerichtshof selbstverständlich, inhaltliche Argumente aus dem BGB und Methodisches aus demZGB mit der Begriindung heranzuziehen, in diesen beiden jtingsten Privatrechtskodifikationen habe sich das Rechtsdenken einer gemeinsamen Rechtskultur niedergeschlagen, so dal^ zur Liickenfullung Methode und Inhalt dieser beiden Gesetzbticher auch fur österreichische Lösungen herangezogen werden können. 236 B. Die Entwicklung des Offentlichen Rechts 1. Allgemeines Sowohl das Staatsrecht wie das Polizeyrecht, nach heutiger Terminologie das Verfassungs- und das Verwaltungsrecht, erfuhren lange Zeit hindurch eine juristische Behandlung und Vermittlung blob als Gesetzeskunde. Aus den diversen Rechtsquellen von der Goldenen Bulle 1356 bis zum Reichsdeputationshauptschlul? 1803 sowie aufgrund diverser Privilegien erfolgten Darstellungen des Reichsstaatrechts wie auch des Staatsrechts der Habsburgermonarchie. Im Bereich des Verwaltungsrechts systematisierten Darstellungen den heterogenen Stoff allgemein zu einer „Polizey-Gesetzkunde“ oder speziell zu einer „Gewerbs-Gesetzkunde“, auch schon zu einem „Fabrikenrecht“ oder einer Darstellung des Ausländerrechtes.-*^ ZumFolgenden W. Braunedcr, wie FN 15. W. G. Kopctz, Allgemeine österreichische Gewerhs-Gesetzkunde, 2 Bde., Wien 1829/30; I. Wildner von Maithstein, Das österreichische Fahrikenrecht, Wien 1838; J. Vesque von Piittlingen, Die gesetzliche Behandlung der Auslander in Osterreich, Wien 1842.

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