Wilhelm Brauneder liche oder bischöfliche Richter oder Stadtschreiber in Rechtsfällen beraten oder diese selbst entscheiden. Diese Entwicklung verdichtet sich ab etwa 1500, der Buchdruck befördert nun die Verbreitung auch juristischer Literatur, vor allem die Landesfiirsten treten zunehmend als Gesetzgeber auf. Dies alles erweckt den Eindruck eines massiven Einflusses vor allem des Römisch-gemeinen Rechts in der Form einer sogenannten Rezeption. Im Gebiete des heutigen Osterreich entstehen im16. Jahrhundert, wie auch anderswo, eine Fiille an Gesetzen und Gesetzentwurfen wie auch wissenschaftliche Traktate. Sie werden noch handschriftlich, zumTeil aber auch bald durch den Buchdruck verbreitet. Besonders zu erwähnen sind die „Traktate“ des Bernhard Walter, die eine so starke Beachtung fanden, dalJ er als „Vater der österreichischen Jurisprudenz“ gilt. Diese „Traktate“ zeigen deutlich das Neben- und Miteinander des heimischen Gewohnheitsrechts und des Römisch-gemeinen Rechts, welches dazu verwendet wird, die Liicken des ersteren auszufiillen, wenn dieses entweder keine Regelungen bereitstellt oder keine allseits anerkannten. Da Regierungsinstruktionen und Gerichtsordnungen festlegen, dal? Entscheidungen aufgrund einer sicheren Rechtsbasis zu erfolgen haben, verstärkt sich das Bediirfnis nach Gesetzen möglichst umfangreichen und systematischen Inhalts sowie nach Aufzeichnungen des Gewohnheitsrechts. Daher beginnt im 16. Jahrhundert der Versuch, die gesamte Rechtsordnungen eines Landes in Gesetzen einzufangen, beispielsweise die von Tirol, die von Osterreich oder die der Steiermark. So ergehen umfassende Landesordnungen fur mehrere Rechtsgebiete oder jeweils fur diese Teilordnungen wie etwa Landgerichtsordnungen fur das Strafprozel?recht, Malefizordnungen fur das Strafrecht, Polizeiordnungen fur (modern gesprochen) das Verwaltungsrecht wie auch Erbfolgeordnungen oder Vormundschaftsordnungen. Zu wichtigen Gesetzesentwiirfen zählen die Landrechtsentwiirfe fur Osterreich, die vor allem Bestimmungen liber die Gerichtsordnung und den Zivilprozel? sowie auch Privatrecht enthalten. Vieles und auch viel wichtiges regeln einzelne Mandate und Dekrete neben den umfangreichen Ordnungen. Die Gesetze beziehen sich jeweils nur auf ein Land - in der gesamten Habsburgermonarchie stehen somit unterschiedliche Länderrechte in Geltung. Mehrere Länder umfassende Polizeiordnungen bilden die Ausnahme. Zu den Gesetzen und dem Gewohnheitsrecht tritt im Privatrecht das Römisch-gemeine Recht hinzu, so dal? die habsburgischen Reichsterritorien Anteil am lus Romano-germanicumhaben. Das (deutsche) Gewohnheitsrecht insbesondere im heutigen Osterreich zeigt jedoch von Land zu Land kaum Unterschiede, ein Rechtslexikon stellt daher um 1700 österreichisches und steirisches Gewohnheitsrecht gemeinsamdar. Der römisch-gemeinrechtliche Anteil flihrt zu einemVerbundensein vor allem mit den librigen Ländern des Römisch-deutschen Reiches, dariiber hinaus auch mit anderen Ländern Kontinentaleuropas. 234
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