Wilhelm Brauneder 230 Bundes.’- Diese Strömungen lenken den Blick zuriick bis in das Mittelalter etwa mit der Betonung der Bedeutung des ius commune oder dock jedenfalls in die friihe Neuzeit wie im Falle der Hinwendung zum Römisch-deutschen Reich. Zaghaft meldet sich auch die historische Kanonistik zu Wort, und zwar mit demArgument, iiber die einzige gesamteuropäische oder gar weltumspannende Rechtsordnung als Forschungsgegenstand zu verfiigen. Dieser EuropaEffekt nähert sich freilich wie ähnliche vomTagesgeschehen motivierte oder gar initiierte Strömungen der Einseitigkeit, wenn andere Aspekte vernachlässigt werden wie spezifische lokale und später staatliche Entwicklungen. In der Privatrechtsgeschichtsforschung Osterreichs kam im Gegensatz zu anderswo der Europa-Effekt auch deshalb kaumzur Wirkung, weil eine bestimmte, nahezu als klassisch zu benennende Richtung der Privatrechtsgeschichte an Boden verloren hat, nämlich die Institutionengeschichte.*^ Eine die Institutionen verschiedener europäischer Rechtsfamilien vergleichende Privatrechtsgeschichte könnte Wesentliches zu einer historischen Fundierungeines — neuen - gemeineuropäischen Privatrechts beitragen. Aber in ähnlicher Weise wie sich die Beniitzung von Archiven als Miihe erweist, so offenbar auch die einer vergleichenden Betrachtung derart juristisch-konkreter Natur fiber Sprachgrenzen hinweg. In Hinblick darauf, daI5 österreichische Staaten der Vergangenheit mit der heutigen Republik Osterreich im Gebietsumfang und in ihrer Struktur kaum etwas gemeinsamhaben, sind noch zwei Bemerkungen notwendig. Einmal die, dal^ sich die privatrechtshistorische Forschung auf das Territoriumder heutigen Republik Osterreich konzentriert, was das Ergebnis einer entsprechenden Interessenslage ist, dabei freilich die notwendigen europäischen Bezfige nicht aul^er acht lälk. Die verfassungshistorische Forschung hingegen ist notgedrungen eher dem Staat verhaftet, da ihr Gegenstand das jeweilige Gemeinwesen bildet. Österreichische Verfassungsgeschichte''^ ist daher Geschichte der Verfassung des österreichischen Staates — allerdings stets bestimmt von dessen Z. B. H. Rumpler (Hrsg.), Deutscher Bund und deutsche Frage 1815-1866 (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 16/17), Wien-Miinchen 1990. Vgl. weiterhin vor allemG. Wesener, Einfliisse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit (16. bis 18. Jahrhundert) (Forschungen zur Neueren Privatrechtsgeschichte 27), Wien-Köln 1989 (mit Literaturhinweisen auf triihere Arbeiten), weiters G. Wesener, Die privatrechtlichen Normen des Usus modernus, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, Frankfurt/M. 22.-26. September 1986, Frankfurt/M. 1987, 279 ff.; G. Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte - lura in re und iura ad re. Zur Herkunft und Ausbildung dieser Unterscheidung, in: Festschrift fiir Hubert Niederländer zum siebzigsten Geburtstag am 10. Februar 1991, 196 ff.; G. Wesener, Remedia der Noterben in der Lehre der Glossatoren und Kommentatoren, in: Festschrift fiir Hermann Lange zum70. Geburtstag am 24. Januar 1992, 285 ff.; G. Wesener, Verfugungen von Todes wegen nach deutschen Rechten der Neuzeit, in: Actes å cause de mort (Recueils de la Société Jean Bodin LX), Brussel 1993, 267 ff. Zum Folgenden W. Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte, 7. Auflage Wien 1998; danach auch die weiteren verfassungshistorischen Ausftihrungen dieses Beitrages.
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