Bernhard Diestelkamp 210 vatrecht, die von Simon in seiner bekannt sarkastischen Art auch behandelt werden, nur andeuten. Dies als antieuropäisch abzutun, wie Baldus-Wacke es machen,2i greift zu kurz. Wenn denn eine Rechtstradition als gemeinschaftsstiftend fur eine supranational Rechtszukunft vindiziert wird, muf? festgestellt werden, ob und wie weit diese Rechtstradition wirklich gemeineuropäisch war. - In diesem Sinne sind auch Zweifel bei den ostmitteleuropäischen Länder Ungarn, Slowakei und Tschechien sowie Polen angebracht. Sie gehörten zwar zum katholischen Europa und lebten damit unter dem Kanonischen Recht, aber Jus Commune oder Usus Modernus Pandectarum blieben ihnen fremd. Abgesehen von schwächlichen Teilrezeptionen fand das Römische Recht dort erst in der Formdes deutschen Pandektenrechts des 19. Jahrhunderts intensiveren Zugang, nicht zuletzt durch die deutschen und österreichischen Privatrechtskodifikationen, die in der Slowakei und Tschechien ebenso galten wie in den österreichisch und preuftisch besetzten Teilen Polens. - Dasselbe gilt mutatis mutandis imiibrigen auch fur Skandinavien, wo man sich bis weit in die Frtihe Neuzeit hinein voller Stolz mit deni heimischen Recht begntigen konnte. Weshalb sollen die Menschen in diesen weiten Teilen Europas das Jus Commune als eine gemeineuropäische Grundlage fiir ein mödernes supranationales Privatrecht akzeptieren? Oder soli ihnen dies als Vorbild aufgezwungen werden, well doch das Römische Recht ratio scripta ist? Warumsoli imiibrigen fur diese Aufgabe nicht viel eher das Vernunft- oder Naturrecht herangezogen werden, die zweifellos das Privatrechtsdenken Europas gleichfalls wirkungsvoll geprägt haben? Wenn aber, wie Baldus-Wacke meinen,-- niemand „das Gemeine Recht in seiner vorkodifikatorischen Formoder auch nur in einzelnen Instituten nostalgisch und unter Gefährdung der erreichten Rechtssicherheit „wiederbeleben“ will, fragt man sich, weshalb dann der Riickgriff auf das Jus Commune unter Wegräumen von 200 Jahren „Geröll“? Dah in den Kodifikationen viel Gemeines Recht steckt,-^ ist ein Gemeinplatz, weil Jahrzehnte historischer Rechtsvergleichung dies in weiten Teilen zutage gefördert hat. Daraus kann aber doch nicht gefolgert werden, das durch die Kodifikationen und ihre Anwendung aulser Geltung gesetzte Gemeine Recht besitze noch weiter die Bedeutung einer gemeineuropäischen Rechtsgrundlage. Wenn sich bei einer Vergleichung der europäischen Privatrechtskodifikationen gemeinsame Grundsätze oder Regeln ergeben, so kann die Flerausarbeitung ihrer gemeinrechtlichen Basis ntitzlich sein —mehr aber auch nicht. Jedenfalls fiihrt das Wegräumen der zweihundertjährigen nationalstaatlichen Entwicklungen nicht zu direkt verwendbarenJus-Commune-Regeln. Baldus-Wackc (wie Anm. 7), S. 284 f. -- Baldus-Wacke (wie Anm. 7), S. 286 f. Baldus-Wacke (wie Anm. 7), S. 286. -■* Zu den Problemen der Kodifikationen intensiv: Caroni (wde Anm. 4), S. 93 ff. 24
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=