Michael Stolleis Das bedeutet auch methodische Offnung: New Legal History, Haydn White, Geerds, Ethnologie, linguistic turn, Strukturalismus. 178 2.Damit verbunden ist die zweite Hoffnung, es möge sich eine ausgewogene Mischung der Forschungsfelder herstellen. Hier ist die Lage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich; Manche Universitätskulturen bevorzugen die antike Rechtsgeschichte, manche das Mittelalter mit seinem ius commune, manche (vielleicht jetzt die Mehrheit) die Frlihe Neuzeit mit demUsus modernus, mit Naturrecht und Kodifikationsforschung. Schliel^lich gibt es Fakultäten, an denen fast ausschliel^lich zum 19. und 20. Jahrhundert gearbeitet wird, bis hin zur Juristischen Zeitgeschichte. Diese Unterschiede sind zunächst natiirlich ein Positivum, sie sind Ausdruck der Forschungsfreiheit und der persönlichen Orientierung. Sie bedeuten aber auch, dal^ die kiinftigen jungen Juristinnen und Juristen in Europa nirgendwo ein „ausgewogenes“ Bild der gesamten Entwicklung bekommen, ein Bild, in dem die eigene Rechtskultur imVordergrund steht (das wird so bleiben), in dem aber auch der gesamteuropäische Rahmen deutlicher wird als bisher. Manchmal hat man den Eindruck, die Studenten erfahren mit Erstaunen, dafi vor der Französischen Revolution schon Menschen lebten, und manchmal ist es vielleicht umgekehrt, dafi alles Recht nach der Antike als Ausdruck der Vulgansierung und des groEen Verfalls erscheint. Die Ostblockstaaten miissen die Geschichte vor der Oktoberrevolution wieder entdecken. Jede Epoche ist von Interesse. In der NuBschale kann das Ganze erscheinen. Und so pladiere ich (im Hinbhck auf eine Pädagogik der Rechtsgeschichte!) ftir eine Kombination von Regional- und Universalperspektive, fur eine Uberwindung von Einseitigkeiten und allzustarker Spezialisierung, vor allem im Hinblick auf eine Harmonisierung der europäischen Juristenausbildung. 3.Meine dritte Hoffnung richtet sich auf eine Uberwindung der Trennung zwischen den historischen Wissenschaften und der Rechtsgeschichte. Methodisch ist die Rechtsgeschichte ohne Zweifel ein historisches Fach. Ihr Gegenstand ist die Funktionsweisevon Recht in frtiheren Gesellschaften. Grenzmauern zwischen Historikern und Rechtshistorikern sind sinnlos, ja schädlich. Das Gespräch funktioniert (soweit ich sehe) unterschiedlich gut, manchmal ausgezeichnet, manchmal aber ist es eher von Stummheit, Fremdheit und Unkenntnis der gegenseitigen Literatur geprägt. Auch dies miil^te sich im eurpäischen Rahmen verbessern. wird ausgefiihrt 4.Meine vierte (und letzte) Hoffnung richtet sich deshalb auch auf die Uberwindung der nationalen Grenzen. Die europäische Union hat die Grenzen offiziell abgeschafft. Die Abkommen von Schengen sind in Kraft und werden
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