Michael Stclleis 174 dien zur Geschichte der Universitäten, und msofern kann man wirklich von einem europaischen Netzwerk der Forschung sprechen. Man könnte zufrieden sein und erklaren, es sei eigentlich alles in Ordnung. IL Davon kann jedoch keine Rede sein. Ich mufi leider - gegen alle Regeln der Rhetorik - noch etwas tiefer in die negativen Aspekte gehen. 1. Aus all den reichen Forschungen zur Rechtsgeschichte und zur Geschichte der Rechtswissenschaft in Europa ist bisher kein wirkliches, fur Studenten verwendbares „europäisches“ Lehrbuch der Rechtsgeschichte entstanden. Noch immer lernen die Juristen, wenn sie iiberhaupt etwas von der Geschichte ihres Faches erfahren, ein wenig nationale Rechtsgeschichte, etwa einen Grundrifi von der Antike bis zur eigenen nationalen Gegenwart, etwas Vorgeschichte der eigenen Kodifikationen (wenn es sie gibt) oder ein wenig liber beriihmte Juristen. Die bisherigen Versuche, dies zu ändern, sind wirklich Versuche: Hattenhauers „Europäische Rechtsgeschichte“ ist wegen ihrer Unausgewogenheit und ihrer Subjektivismen kritisiert worden--’. Uwe Wesels neues Buch „Geschichte des Rechts“ ist - bei unbestreitbaren Vorzligen - keine europaische Rechtsgeschichte, sondern ein Buch, das ethnologisch beginnt, aber vomMittelalter an sich auf Deutschland konzentriert^'*. Wenn wir „europäische Rechtsgeschichte" lernen wollen, nehmen wir die Handblicher zum Röniischen und zumGemeinen Recht zur Hand, aber darin erschöpft sich eben die europäische Rechtsgeschichte. Ein umfassendes und wirklich vergleichendes Werk fehlt immer noch. Und wenn wir noch wiinschen, daft es nicht zu groft und nicht zu teuer sein soil, dann wird der Wunsch zu „Vision". 2. Aber zuriick von den Wiinschen zu den schwierigeren Realitäten: Ich meine damit die Stellung der Rechtsgeschichte an den europaischen Universitäten. Paolo Gross! hat 1992 liber die Frage des „Insegnamento della Storia del Diritto Medievale e Moderno" eine besonders interessante Tagung veranstaltet und die Ergebnisse 1993 publiziert-^. Was damals diagnostiziert wurde, kann heute durch die in diesem Band versammelten Beiträge bestätigt werden. Dank der Initiative Paolo Grossis sind die rechtshistorischen Fächer imitalienischen P. Landau, Europäische Rechtsgeschichte aus Kieler Sicht, in; Rechtshistorisches Journal 12 (1993)166-191. -■* D. Simon, in: Siiddeutsche Zeitung v. 15 .Oktober 1997; R. M. Kiesow, in; Frankfurter Allgenieine Zeitung v. 14. Oktober 1997; 3/. Stolleis, in: DIEZEITv. 17. Oktober 1997. P. Grossi (ed.) L’Insegnamento della Storia del Diritto Medievale e Moderno. Strumenti, Destinatari, Prospettive, Milano 1993.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=