EL'RorHAN Li-:c;ai. History 169 Das gcdanklichc Netzwcrk wurdc vor allem von den Vcrtrctern des römischen Rcchts und von den Mediävisten gcsponncn. Fur sie war der europäische Zusammenhang der Rechtsgeschichte ohnc wcitcres zu verstehcn, ja cr war cine Arbeitsvoraussctzung. Wer von ihnen seine Ausbildung noch in den zwanziger Jahren bekommen hatte und Privatrcchtler war, konnte sich eine vomrömischcn Rccht gepragte europäische Landschaft vorstcllen. Als Mutterland crschicn Itahen mit Bologna, dann die Länder, die das römische Recht mehr oder wcniger deutlich rezipiert hatten, dann die mittelbar vom römischen Recht beeintlulken Länder, einschlielslich Lnglands und Amerikas, aber auch der skandinavischen Länder. Irgendwie waren sie iiber den Austausch von Studenten an den Universitäten des Mittelaltcrs und der friihen Neuzeit an den allgemeincn Blutkrcislauf dcs lus Commune angcschlossen. Wo auch dies Schwierigkeiten machte, diente die Zwillingsschwestcr des römischcn Rechts, das mittelalterliche Kirchcnrecht, als geistige Klammer^. Am Lndc waren die Länder von Spanien bis Polen, von Sizilien bis Norwegen, Schweden und Finnland, von England bis zum Balkan durch ein Netzwcrk geistiger Beziehungen der Rechtskulturen vereint. Nahmman noch das endgiiltig 1453 untergegangcnc Byzanz mit seiner römisch-griechischen Rechtskultur hinzu*^, dann hattc man etwa den gcographischen Rahmen erreicht, den heutc die Europäische Union wieder umfasst odcr viellcicht in Zukunlt crreichen wird. So weit war man allcrdmgs m Mitteuropa nach 1945 noch nicht. Europa hatte die grölke Katastrophe seiner Geschichte hinter sich. Die einzclnen Länder reorganisicrten ihren Wisscnschaftsbetricb auf nationaler Basis. In Deutschland spcziell war die Lage extrem schlecht. In der Romanistik gingen von den „zehn oder elf international anerkannten Gclehrten aus der Generation der uni 1880 Geborenen acht“-‘’. Die Germanisten waren - von Heinrich Mitteis abgeschen — kaum europäisch orientiert und sic waren in relativ intensiver Bertihrung mit dem NS-Regmie gewesen^’. Die Stimmung war eher depressiv, aber grundiert durch die Uberzeugung, ein Neuanfang sci nur durch „Europa“ möglich. Man erinnerte sich wiedcr an die gemeinsamen Traditionen des römischcn Rechts und des Naturrechts der aristotelischen, nun eher katholisch gefarbten Tradition. Die altc Polemik gegen die „Ideen von 1789“, die in Deutschland seit dem 1. Weltkrieg beliebt war, schicn vergessen. Europa (genauer: Westeuropa) war fur Deutschland gewisscrmal^en der Rettungsanker nach dcr Katastrophe. Was fur die Politik die NATO und die Aussöhnung ’ P. Landau, Dcr Eintluls dcs kanonisclicn Rcchts aut die europäische Rcclitskultur, in; Schulze (Anm. 1) 39-57. ■* L. Burgmann - //. Kaufhold, Bibliographic 7,ur Reception dcs byzantinischen Rcchts im altcn Rui.Uand sowic zur Gcschichtc dcs arnienischcn und gcorgisclicn Rcchts, Frankfurt 1992. ^ W. Kunkel, Dcr Professor im Dnttcn Reich, in: Die dcutschc Universitat im Drittcn Reich. Fine Vortragsreihe dcr Lhiivcrsitat Miinchen, Miinchen 1966, 103-133 (1 IS). J. Riickert - D. Willoucit (Hg.), Die Dcutschc Rechtsgcschichtc in dcr NS-Zeit, ihre Vorgeschichtc und ihre Nachwirkungcn, Tubingen 1995.
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