Michakl Stc'11.1 i;is 168 und mit den Staaten des ehemaligcn Sowjetreichs stchen wird, ist momentan noch offen. Eindeutig ist jedenfalls die Tendenz, die Europäische Union nach Norden, Osten und Stidosten zu erweitern. Dadurch erweitert sich auch das Gcsichtsfeld dcr Europäischcn Rechtsgeschichte. Gewil^ sind Wissenschaft und politischer Prozcl^ nicht unmittelbar miteinander verbunden, aber es ist eine immer wieder bestätigte Erfahrung der Wissenschaftsgeschichte, dab die Wissenschaft, vomDruck der Politik beeinflubt, sich wie eine plastische Masse verformt. Es tauchen neue Möglichkeiten der Kooperation und neue Fragestcllungcn auf. Erst nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs wurde die einfache Tatsache wiecier bcwubt, wie sehr europaisch und wie nah an Mittelcuropa gelegen Staaten wie Ungarn, Polen, die tschechische Republik und die Slowakei liegen. Was vorher eher m der Nähe von Sibirien gesehen wurde, licgt heute wenige Stunden cntfcrnt und ist ohne besonderc Miihe erreichbar. Die zweite Bewegung, von der ich sprach, ist die Vcrlangsamung des Prozesscs der europäischcn Einigung. Es ist Icicht zu erklaren, dab Entscheidungsprozessse langsamer werden, je mehr Tcilnehmer zu cntschcidcn habcn. Tot capita quot sensus, oder: vide Köche verderben den Brei. Allc eurpäischen Staaten kampfen momentan mit gleichartigen ökonomischcn Problemen, mit der iiberall zu hohen Arbeitslosigkeit, mit dcr hohen Staatsverschuldung und mit den Finanzierungsschwierigkeiten des Sozialstaates. Das alles fuhrt nicht zu einem optimistischen bcfliigelten Vorv,'ärtsschreitcn, sondern zu Verlangsamung und zu vorsichtiger Bewahrung des status quo. Alle wissen, dal.N etwas geschehen mub, aber niemand weib wirkhch, in welche Richtung cs gchen soil. Kommen noch innenpolitischc Bk'ickaden hinzu, wie derzcit in deutschland, dann tritt „ratloser Stillstand“ ein. Diese Verlangsamung - was immer sie fur die politischc Zukunft Europas bedeuten mag — hat ftir die Rechtsgeschichte gcwissc Vorteile. Sie steht nicht unter dem Erwartungsdruck der Tagespolitik. Die Vergangenheit ist ihre sichere Beute, die sie bald oder später vcrzehrcn kann. Sic kann Bilanz ziehen und sich orientieren, wo die wichtigen Forschungsfeldcr liegen. 2. Ich beginne mit einer knappen Bestandsaufnahme: Europäische Rechtsgeschichte war seit den fiinziger Jahren des 20. Jahrhunderts stets einc Idee, ein gedankliches Netzwerk vieler Einzelpersönlichkeiten in vielen Ländern, nicht dagegen — umes zu wiederholen — ein mstitutioneller Zusammenhang. Es gab damals keine Zeitschrift oder Schriftenreihe dieses Namens-, keinen Kongreb fur »Europäische Rcchtsgeschichte“ und kcin zentrales Forschungsinstitut. 2 Inzwischen gibt cs die „Schriften zur Europäischcn Rechts- und Vcrfassungsgcschichtc" hrsgg.v. R. Schulze, E. Wadle, R. Zimtnermami, Verlag Duneker & Humblot, 1990 ff. (dcr in Anm. 1 genannte Band ist dort als Nr. 3 erschienen); eine »Zeitschrift fiir Europäisches Privatrecht“, hrsgg.v./. Basedon-, U. Blaurock, A. Flessncr, R. Schulze, R. Zimmerrnaun, 1993 tf.
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