RS 21

Paolo Cappellini 10 Rescigno) also ein Ja‘ fiir den männlichen (und besitzenden) französischen Burger, aber ein ,nein‘ fur die französische Frau (Olympe de Gouges) und den kolonisierten farbigen Mann, sparer dann vielleicht ,ja‘ zu diesemletzten, aber nur wenn er ,okzidentalisiert‘ ist oder auch zu den Frauen, aber eben als den Männern gleichgestellte, nicht als eigenes ,Geschlecht‘ oder als ,sexuell Andere‘, oder auch ,nein‘ zum Kind oder zum Nomaden und so weiter, bis wir vielleicht zur individuellen Schliisselkategorie der nächsten Zukunft kommen: jener des Ausl'dnders (und damit auch des Staatenlosen) im weitesten Sinne des Wortes (welches damit auch den aufgrund sogenannter cthnischer ,Motive* oder Entwurzelung „Fremden in der Heimat** mit einschlielk). Weiter in der Tiefe ist es die Genesis des Subjektbegriffes und des Individuurns sclbst, die uns an eine Sachgeschichte verwcisen, die es noch fast gänzlich zu durchlaufen gilt. Und, wie jungere Untersuchungen in Bezug auf die Bildung der entscheidenden Begriffe fiir die ,moderne‘ cxperimentclle Beweistheorie zu bestätigen neigen, ist auch zu unseren Zwecken die Wissenschaft (und nicht nur diese) ein Zweig des Rechts. Wenn es wahr ist, um es mit den Worten M. Serres zu sagen, dais „in alien Sprachen Europas das Wort Sache, wclche Formman ihmimmer geben mag, als Ursprung oder Wurzel das Wort Ursache/Prozeb hat, das dem Recht entlehnt ist“ und „die lateinische Sprache die Sache res nennt, ein Begriff von demwir die Realität ableiten, das Objekt der Justizprozedur oder die Rechtssache selbst, sodal^ fiir die Antiken der Beklagte reus genannt wurde, weil die Richter ihn fur einc Rechtssache zitierten**, dann ist der RiickschluB nicht unzlässig, man sehe sich hier einer Sache gegeniiber, bei der es scheint „als ob die mcnschliche Realität ausschlieblich aus den Gerichtssälen herstammt**, da ja cben cine Sachc aus einer Aktivität des prozessual-gerichtlichen Typs ,hervortritt*: „Das Gericht sctzt die Identität einer Sache und einer Rechtssache in Szene, des Wortes und des Objektes, oder der Ubergangsphase von einemzumanderen.** Aber das ,Gericht* ist noch wescntlich mehr: es ist auch die Urszcne (geschichtlich gesehen) der Bewufitwerdung des Individuums gcgeniiber sich selbst und sie verleiht ihm auch cine Sprache, soweit sogar, dab man viellcicht nicht grundlös behaupten könnte, dab das Subjekt-als-Individuum (in seiner Suche nach einer Beziehung zum Anderen) hauptsächlich einer Gerichtsprozedur unterworfen ist, die auf ein zukiinftiges Urteil hinweist und wo es aul^erdem, nicht allzu paradoxerweise, in der doppelten Rolle des ,Klagers* und des ,reus‘ steht. Wenn wir uns daran erinnern, dab ja eine der ,ruckdatierten* Schauplätze des Aufkommens einer neuen Sensibilität in Beziehung zumIndividuum durch die agiographische und autobiographische Literatur dcs Mittelalters gegcben war, die ihr bevorzugtes Modell in den Confessioni des Augustinus fand, so erscheint dieser Ubergang - der zweifelsohne im philologischen Lichte imKontext dcs Rcichtums und der Widcrspriichklichkeit seiner Einzelheiten geschen werden sollte - alles anderc als unnaturlich: die individuellc Er-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=