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VOMBEITRAG DER RECHTSGESCHICHTE sich durch den Vergleich der heutigen nationalen Rechte zeigen läfit, dafi „hinter“ den Normen und der Kasuistik verschiedener Länder ein gemeinsames Prinzip oder Rechtsinstitut steht, läEt sich aber von einem „ius commune unserer Zeit“ sprechen. Line „Autorität“ der Geschichte, etwa dafi das ältere ius commune auch heutiges gemeinsames Recht in Europa sein muft, gibt es hingegen nicht. (12) In einigen Bereichen werden sogar derartige heutige gemeinsame Prinzipien und Institute gerade und nur durch die Vergleichung, ergänzt allenfalls durch Forschungen zur neueren Rechtsgeschichte, zu finden sein, ohne da£ die historische Betrachtung des älteren ius commune hierzu einen Beitrag leisten kann. Dies gilt vor allem fiir Rechtsmaterien, Rechtsbegriffe und Rechtsverhältnisse, die sich während der letzten beiden Jahrhunderte neu entwickelt haben und fiir die durch parallele Entwicklungen und Rezeptionen in mehreren Ländern Europas ähnliche Inhalte entstanden sind - von Rechtsgebieten wie dem Arbeits- und Kartellrecht bis hin zu neuen Vertragstypen wie Leasing, Factoring und vielen anderen mehr. (13) Auch wenn die Rechtsgeschichte die Hauptrolle bei der argumentativen Grundlegung und dogmatischen Konstruktion gemeinsamer Prinzipien des Europäischen Privatrechts ihrer jiingeren „Zwillingsschwester“32^ Jej- Rechtsvergleichung, iiberlassen muB, wird sie fiir die Wissenschaft des heutigen Europäischen Privatrechts nicht wertlos: Durch die historische Relativierung des nationalen Privatrechts, durch das Aufzeigen geschichtlicher Zusammenhänge und wechselseitiger Einfliisse und durch Hinweise auf friihere gemeinsame Lösungen (vergleiche Thesen 5-7) kann sie immerhin fiir grofie Teile des Privatrechts die vergleichende Arbeit bei der schwierigen Aufgabe unterstiitzen, die Gemeinsamkeiten hinter den unterschiedlichen nationalen Normen zu erfassen. (14) Die rechtsgeschichtliche Forschung sollte daher - neben anderen Erkenntnisinteressen und Arbeitszusammenhängen — den Bezug zu den Gegenwartsproblemen des Europäischen Privatrechts suchen und aufrechterhalten und insofern eine juristische Wissenschaft bleiben. Bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Europäischen Privatrecht kann sie nicht die „erste Geige“ spielen, wohl aber die Lehre des Europäischen Gemeinschaftsrechts und vor allem die Rechtsvergleichung unterstiitzen. Denn die Kernbereiche des Europäischen Privatrechts sind als ein geschichtlich gewachsener, in den nationalen Zivilrechten fortgestalteter Teil der europäischen Rechtskultur mit gemeinsamen Prinzipien und Institutionen zu begreifen. ImHinblick auf diese Kernbereiche des Privatrechts scheint unsere Zeit (jedenfalls vorerst) weniger zur umfassenden Gesetzgebung als zur Rechtswissenschaft berufen - einer Formjuristischer Tätigkeit, die änders als die Gesetzgebung nicht an politische 215 Hein Kötz, Was erwartet die Rechtsvergleichungvon der Rechtsgeschichte?, aaO. Fn. 12, S. 20.

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