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VOM BEITRAG DER RECHTSGESCHICHTE 213 um den Vcrbraucherschutz). Vor allem mit Sicht auf den Schutz der Personlichkeit und ihrer Entfaltung aufierhalb der Vermögenssphäre fiele sie damit hinter den heutigen Stand der Entwicklung vieler nationaler Privatrechte zuriick; ein Europäisches Zivilrecht mit dieser Konzeption wäre mithin in einem wichtigen Punkt alles andere als vorbildlich. Zudemfehlt es auf vielen Gebieten an einer hinlänglichen wissenschaftlichen Vorbereitung und Ausbildung der Juristen in den betroffenen Ländern. Ohne eine gemeinsame wissenschaftliche Grundlage, ohne eine verbindende Doktrin und Juristenausbildung wäre es aber kaumzu verhindern, daE das gleiche Gesetz in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich im Geiste jeweiliger nationaler Rechtstraditionen angewandt wiirde. Die uniformgeltenden Normen (wenn sie denn tiberhaupt zustande kämen) wiirden daher auf absehbare Zeit wohl nur den Schein der Rechtseinheit begriinden können^^. — Insofern ist die Skepsis, die am Anfang des vorigenJahrhunderts Friedrich Carl von Savigny gegeniiber dem Beruf seiner Zeit ftir die Gesetzgebung geäuBert hat, auch unter den ganz anderen Verhältnissen des heutigen Europas angebracht: Zu dem Versuch, in einem „mächtigen qualitativen Sprung“27 durch eine Zivilrechtskodifikation per Verordnung der Rechtseinheit in Europa näher zu kommen, scheint auch unsere Zeit nicht berufen. (9) Der Vergleich mit dem 19. Jahrhundert wäre aber iiberstrapaziert, wenn man der Rechtsgeschichte heute fur das Europäische Privatrecht die gleiche Rolle zuspräche, wie sie ihr fiir das gemeine Privatrecht Deutschlands damals zukam. Insbesondere sind flir unsere Zeit die historischen Texte und Lehrautoritäten des römischen Rechts - die einst imälteren ius commune und sodann auf andere Weise in der deutschen Pandcktenwissenschaft des 19. Jahrhunderts so verbindend wirkten — nicht als mabgebliche unmittelbare Grundlage der Ausbildung der Juristen in Europa, d. h. als die allseits anerkannte Basis der Verständigung und des fachlichen Austausches zu betrachten. Denn am Anfang des 19. Jahrhunderts, als Savigny zu wirken begann, war - anders als heute - noch jeder Jurist in Deutschland ebenso wie in den meisten anderen europäischen Ländern, selbst imrevolutionären Frankreich, imrömischen Recht ausgebildet und beherrschten in Deutschland zudemHistorismus und Neuhumanismus das Denken. Demgegeniiber besteht heute eine ganz andere geistige Lage - und die Stellung des römischen Rechts hat sich völlig verändert: Die meisten Juristen in Europa haben nicht einmal Latein gelernt und schon gar nicht römisches Recht griindlich studiert. Der Weg der Pandektenwissenschaft läfit sich daher nicht nochmals gehen, vielmehr sind fiir unsere Zeit eigene Wege der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Europäischen Privatrecht zu suchen. •2*’ Ahnliche Bedenken jiingst bei Fritz Rittner, Das Gemeinschaftsprivatrecht und die europäische Integration, JZ 1995, S. 849 ff. (856). •27 Winfried Tilmann, aaO. Fn. 4, S. 500. 15

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