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206 Reiner Schulze ein Max-Planck-Institut mit diesemZiel gegriindet'^, es entstanden Schriftenreihen und Zeitschriften mit diesem Anliegen, und es finden gemeinsame Tagungen von Rechtsvergleichern und Rechtshistorikern statt. - Andere unter den Rechtshistorikern verlangen Abstinenz der Europäischen Rechtsgeschichte gegenuber den juristischen Gegenwartsaufgaben, warnen vor dem „Schiffbruch der Geschichtlichkeit“ und vor einer „Kategorienvermengung“’5 und verwenden den Begriff „ius commune" nur ftir gemeinsames Recht vergangener Zeit. Sie befiirchten die Selbstaufgabe der Rechtsgeschichte durch die Mitwirkung an europaischer Privatrechtswissenschaft, sehen eine uniiberbruckbare Kluft zwischen juristischer und rechtshistorischer Arbeit und verrichten ihre eigene wissenschaftliche Tätigkeit, sobald sie sich auch mit demgeltenden Privatrecht befassen, gewissermafien an zwei separaten Schreibtischen; an dem einen verstchen sie sich als Juristen, an dem anderen als (Rechts-) Historiker, und bei dem steten Wechsel von dem einen Platz zum anderen glauben sie, jedesmal ein neues Wesen annehmen zu miissen. Uber den Ausgang dieser Kontroverse wird letztlich die Forschungspraxis entscheiden - das Entstehen und die Akzeptanz rechtshistorischer Beiträge zumEuropäischen Privatrecht oder das Desinteresse der Rechtshistoriker und der anderen Teildisziplinen an derartigen Arbeiten. Die Bereitschaft der Rechtshistoriker zur Teilnahme an den Aufgaben einer europäischen Privatrechtswissenschaft hängt freilich auch davon ab, ob innerhalb der eigenen Teildisziplin die Enthaltsamkeit der Forschung gegenuber den Gegenwartsfragen der Rechtswissenschaft zumDogma erhoben wird. Ein derartiges Dogma der Abstinenz lag nahe, bedenkt man die Entwicklung des Faches Rechtsgeschichte in Deutschland seit der Abkehr von den Konzeptionen der historischen Rechtsschule fiir das deutsche Privatrecht, seit dem (vermeintlichen) Einschnitt zwischen Geschichte und geltendem Recht durch die Kodifikationen und schlieBlich seit der Kritik an der „Dogmengeschichte“ Die Verallgemeinerung von Erfahrungen und Vorstellungen eines Abschnittes der Wissenschaftsgeschichte ist jedoch häufig gerade angesichts neuer Herausforderungen als fragwiirdig erkannt worden; und was gestern fruchtbare Kritik an Vgl. die Einfiihrungvon Helmut Going imersten Band (1967) der Zeitschrift „Ius Commune". Pio Caroni, Der Sehiffbruch der Geschichtlichkeit - Anmerkungen zum Neo-Pandektismus, ZNR 16 (1994), S. 85 ft. Tomasz Giaro, Europäische Privatrechtsgeschichte: Werkzeug der Rechtsvereinheitlichung und Produkt der Kategorienvermengung, lus Commune Bd. XXI (1994), S. 1 ff. Grundlegend Franz 'X'ieacker, Der gegenwartige Stand der Disziplin der neueren Privatrechtsgeschichte, in: Eranion Maridakis 1, Athen 1963, S. 339 ff. Gegen die Geschichtlichkeit von Dogmatismus insbes.: ders., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Auflage, 1967, S. 14 ff., auch Anm. 12, 14; zusammenfassend zum Diskussionsstand: Heinrich Honsell, Das rechtshistorische Argument in der modernen Zivilrechtsdogmatik, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, S. 299 ff.; Filippo Ranieri, Eine Dogmengeschichte des europäischen Zivilrechts?, in: Reiner Schulze (Hg.), Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991, S. 89 ff. (99 ff.).

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