VOM BEITRAG DER RECHTSGESCHICHTE dem zeitlichen Abstand zu den grofien Zivilrechtskodifikationen das Privatrecht mehr und mehr zu einem „Mischrecht“' aus Kodifikation, Einzelgesetzcn und Richterrccht wird. In der Wissenschaft und in dcr Praxis, aus der Sicht des Europaischen Gemeinschaftsrcchts und des nationalen Privatrechts richtet sich mithin die Aufmerksamkeit auf eine vergleichende, europcäisch ausgerichtete wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Privatrecht. Nicht selten ist in dieses Interesse die Rechtsgeschichte eingeschlossen: Der Europäische Gerichtshof beispielsweise bezieht sich ftir die heutigen allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft auf die Uberlieferungen*^, auf gemeinrechtliche Grundsatze"^ und römisches RechtRichter an diesemGerichtshof betonen die historischen Gemeinsamkeiten dcr europaischen Rechtskultur als verbindendes Element ihrer Tätigkcit". Und eine Reihe von Rechtsvergleichern und Privatrechtswissenschaftlern bezieht in ihre Uberlegungen zu den heutigen oder kiinftigen Gemeinsamkciten des europaischen Privatrechts die Rechtsgeschichte nachdriicklich mit ein*2. Von seiten der Praxis und Wissenschaft stellt sich damit die Frage nach dcm Beitrag der Rcchtsgeschichte fur das heutige europäische Privatrecht. Fiir die Rechtshistoriker heilk dies: Kann ihr Each einen Beitrag zu einer europaischen Privatrechtswissenschaft und zur heutigen Entwicklung gemeinsamcn Privatrechts in Europa leisten? Die Rechtshistoriker im deutschsprachigen Raum sind geteilter Meinung: Die einen behaupten und versuchen es. So wurde vor mehreren Jahrzehntcn 205 ^ Gerhard Dilchcr, VomBeitrag der Rechtsgcschiehte zu eincr zeitgemälJen Zivilreehtsvvissenschaft, AeP 184 (1984), S. 247 tf. (255 f., 286 ff.). ^ Insbesondcre auf die „gemeinsamen Verfassungsuberlieferungen" der Mitgliedstaaten, EuGHE 1989, S. 2609 ff. (2610); EuGHE 1989, S. 2237 ff. (2238); EuGHE 1980, S. 2033 ff. (2057); EuGHE 1979, S. 1996 ff. (1997); EuGHE 1979, S. 3737 ff. (3745); EuGHE 1974, S. 491 ff. (507). Vgl. Vortrag von Maximilian Herbergcr auf dcm 30. Dcutschen Rechtsbistorikertag vom 25.-28. September 1994 in Bern, noch nieht veröffentlicht. 1° EuGHE 1969, S. 41 ff. " Vgl. Manfred Zuleeg, Naehwort, in: Reiner Schulze (Hg.), Europäische Reehts- und Verfassungsgeschichte, Schriften zur Europaisehen Rechts- und Verfassungsgeschiehte, Band 3, 1991, S. 247 ff. (249 f.). Peter-Ghristian Miiller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der Europaischen Gemeinschaft - Ansatzpunkte, Ausgangsfragen, Ausfaltungen, in: ders. (Hg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europaischen Gemeinschaft, 1993, S. 7 ff. (33 f.); Hein Kotz, Was erwartet die Rechtsvergleichung von der Rechtsgeschichte?, JZ 1992, S. 20 ff. (22); Bernhard GroEfeld/ Karen Bilda, Europäische Rechtsangleichung, ZfRV 1992, S. 421 ff. (432); Eleinz-Petcr Mansel, Rechtsvergleichung und curopäische Rechtseinheit, JZ 1991, S. 529 ff. (533); Peter Ulmer, Vomdcutschen zumeuropäischen Privatrecht?, JZ 1992, S. 1 ff. (7); Hans Hanisch, Rechtsvergleichung - aber wie?, in: Bruno Schmidlin (Hg.), Vers un droit prive européen commun - Skizzen zum gcmcincuropäischen Privatrecht, 1994, S. 125 ff.; Konrad Zweigert, Grundsatzfragcn der Europäischen Rechtsvergleichung, ihre Schöpfung und Sicherung, in: Ernst von Gaemmcrer/ Arthur Nikisch/ Konrad Zweigert (Hg.), Vom deutschen zum europäischen Recht. Eestschrift fur Hans Dölle, Band 2, 1963, S. 401 ff. (417).
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