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Reiner Schueze 204 Europäischen Union auf eine vergleichende Beschäftigung mit den nationalen Privatrechten vor der Perspektive eines gemeinsamen europäischen Rechtes fur bestimmte Materien angewiesen'*. Neben der persönlichen Erfahrung der Richter aus den verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in den Gerichten in Luxemburg mitwirken, bedarf es aber zweifellos der wissenschaftlichen Vorbereitung und Begleitung. - Ahnliches gilt fur Regelungen in internationalen Ubereinkommen zwischen europäischen Staaten, auch wenn es sich nicht um europäisches Gemeinschaftsrecht handelt, etwa - neben den privatrechtsrelevanten Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention - fiir den Begriff der „Zivil- und Efandelssachen“ und einer Anzahl weiterer Rechtsbegriffe imEuropäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsubereinkommen (EuGVU) sche Gerichtshof ebenfalls zuständig ist. - Aus der Sicht der Judikatur zumnationalen Privatrecht schliefilich hat in Deutschland jiingst der Präsident des Bundesgerichtshofs (des höchsten nationalen Gerichts in Zivil- und Strafsachen) fiir eine vergleichend-harmonisierende Auslegung der nationalen Privatrechte vor europäischer Perspektive Stellung genommen^. Neben den herkömmlichen Methoden der Auslegung in Deutschland - also der grammatikalischen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung - sollen die Richter den Vergleich mit anderen europäischen Privatrechten nutzen, um zu einer Annäherung bei der Lösung ähnlicher Rechtsfragen zu gelangen, soweit dies bei der Auslegung der nationalen Gesetze möglich ist. Es versteht sich, daft auch diese richterliche Tätigkeit durch wissenschaftliche Vorbcreitung und Begleitung erheblich erleichtert wiirde. Und es miiftte wohl, was liber die Aufgabe von Richtern und Rechtswissenschaft bei der vergleichendharmonisierendenAuslegung von Gesetzen gesagt wurde, erst recht gelten, soweit die Rechtsprechung dariiber hinaus nationales Privatrecht als „]udgc made law“ fortbildet - sei es in der angelsächsischen Tradition, sei es in der neueren Praxis einiger kontinentaleuropäischer Länder, in denen mit wachsen1968-“’, fur dessen Interpretation der Europäi von Vgl. dazu: Walter Hallstein, Angleichung des Privat- und Proze^reehts in der Europ.tischen Wirtschattsgemeinschaft, RabelsZ 28 (1964), S. 211 ff.; 'X'infried Tilmann, Zur Entwicklung eines europäischen Zivilrechts, in: Walter Jagenburg/ Georg Maier-Reimer/ Thomas Verhoeven (Hg.), Eestschrift tur Walter Oppenhotf, 1985, S. 495 ff.; Peter-Christian Miiller-Graff, Gcmeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft: Ebenen und gemeinschaftsprivatrcchtliche Grundfragen, in: Jiirgen F. Baur/ Peter-Ghristian Miiller-Graff/ Manfred Zuleeg (Hg.), Europarecht Energierecht Wirtschaftsrecht, Festschrift fiir Bodo Börner, 1992, S. 303 ff.; ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Privatrecht, NJW 1993, S. 13 ff.; Reiner Schulze, Allgemeine Rechtsgrundsätze und europäisches Privatrecht, ZEuP 1993, S. 442 ff. (454 f.). ^ Grundlegend die „Eurocontrol“-Entscheidung des EuGHvon 1976, EuGHE 1976, S. 1541 ff. (1541, 1551); vgl. auch Reinhold Geimer, Anmerkung zu EuGVU Art. 5 (Internationaler Gerichtsstand des Erfiillungsortes - Industrie Tessili), NJW1977, S. 491 ff. (492). ^ Walter Odersky, Harmonisierende Auslegung und europäische Rechtskultur, ZEuP 1994, S. 1 ff.

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