ZUR METHODENLEHRE IM EUROPÄ1SCHEN PRIVATRECHT 199 lige Art, Unterart usw. iibertragen; man kann also zu Begriffshierarchien, zu Prinzipien und zu deduktiven Beweisfiihrungen kommen. Das klingt recht plausibel, abcr in Wirklichkeit eignet sich auch die „dihairetische“ Methode nur schlecht fiir die Erfassung eines inneren Systems. Aus zwei Grtinden: aa) Die dihairetische Methode verlangt die immer weitere Spaltung eines Zentralhegriffs. Alle Gegenstände mtissen wie Gattung und Art (oder Teil: dazu gleich) zusammenhängen. Ein Rechtsinstitut kann aber mehreren Gattungen und Arten angehören, die sich nicht in eine einheitliche Klassifikation hineinzwingen lassen, also zur „Schnittmenge“ zweier Begriffe gehören. Z.B. gehört der Kauf einerseits in die Reihe Willenserklärung - Rechtsgeschäft - Vertrag: daraus lassen sich Regeln iiber die AbschlulWoraussetzungen gewinnen (Geschäftsfähigkeit, Zurechnungsfähigkeit usw.). Er gehört aber auch in die Reihe Schuldverhältnis - Vertragsschuldverhältnis: daraus bekommt man Regeln iiber das Erlöschen durch Erfiillung, Eeistungsstörungen usw. Beide Reihen lassen sich aber nicht in einem das Recht in Gattungen und Arten aufspaltenden Systemvereinigen. Sie lieben sich verbinden in einem „synthetischen“ System, das verschiedene voneinander unabhängige Axiome voranstellt. Aber eben ein solches System haben ja die Humanisten aus didaktischen Grunden verworfen. bb) Die dihairetische Methode läik statt einer Aufspaltung in Gattungen und Arten auch die blofie „ Teilung“ eines Begriffes gentigen. Das ergibt sich schon aus tier bekannten Cicero-Stelle, wo zunächst von der Aufgliederung in „genera“, dann aber von deren weiterer „Partition“ in „membra“ die Rede isf*^. Dementsprechend lassen wohl auch die meisten Autoren des 16. Jh. statt einer „Division“ (Spaltung in Gattungen und Arten) auch eine „Partition“ (Aufgliederung in Teile) genugen^°. Viele „systematische“ Darstellungen tragen geradezu den Titel „Partitiones“, etwa Freigius’ Bearbeitung des Werkes von Eagus^h Dadurch werden diese Systeme aber ftir deduktive Ableitungen unbrauchbar. Denn man kann zwar die Aussagen iiber eine Gattung auf die Art iibertragen, aber nicht ohne weiteres die liber ein Ganzes auch auf einen ihrer Teile. Was fiir die Gattung gilt, gilt auch fur die Art, also was fur den MenS.o. zu Fn. 14. Dal,s Cicero hicr nur verselicntlich von „Partition“ statt von „Division“ spricht, nimmt allcrdings Dieter Nörr: Divisio und Partitio, Berlin 1972, S. 39 f. an. Anders Maximilian Herbcrger: Doj^matik. Zur Geschichte von Begriff und Methode in Medizin und Jurisprudenz, Frankfurt am Main 1981, S. 50 ff. So ist bei R. Agricola (Fn. 18), S. 469-499 und bei P. Ramus wie Fn. 21, auch von der Aufgliedcrung in Teile die Rede. A. Planer (Fn. 23), S. 81 spricht vomAufteilen des „totum“ in seine „partes“. Ramus' „Dialecticae Institutiones" sind nach seiner cigenen Aussage (wic Fn. 21, fol. 28v) nach derTcchmk der „Partitio“ konstruiert. J. T. Freigius, wie F'n. 3. Auch Nicolaus Vigelius bezeichnet die Ubersicht zu seiner „Iuris civilis absolutissima methodus" als „Partitiones iuris civilis" (Basel 1571); ein gleichbetiteltes Buch gibt es von Franciscus Hotomanus (Basel 1560).
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