Jan Schröder alles.“'^^ Es geht Donellus also nur um die bessere Darstellung, umdie Form, nicht umden Inhalt, die Sachen. Von der auch inhaltlich weiterfiihrenden Erkenntnis ihres inneren Zusammenhangs ist nicht die Rede, die Sachen können so bleiben wie sie sind, hier „verlangen wir gar nichts“. Donellus kennt kein inneres System und kein Jurist und Philosoph des 16. Jahrhunderts kannte es. Fur eine innere Struktur der (Rechts-) Wissenschaft fehlt schon der Begriff. Wissenschaft (scientia), Kunst (ars), Weisheit (sapientia), Klugheit (prudentia) und Vernunft (intellectus) werden habituell gefaBt, als (subjektive) Fähigkeiten eines Menschen: Wissen, Können, weise sein, klug sein, verniinftig sein'^^. Wissenschaft und Kunst imobjektiven Sinne, als Inbegriff, als das Ganze einer Wissenschaft oder Kunst sind unbekannt. Dementsprechend wird auch das Wort „System“ noch bis zur zweiten Flälfte des 18. Jahrhunderts nur auf Darstellungen, nicht auf die unverkörperte innere Struktur angewendet; als es um 1600 erstmals mit der Wissenschaft in Verbindung tritt, bezeichnet es Fehrdarstellungen, wie die Fogik und die Ethik des Bartholomäus Keckermann"*^. Fin abstraktes inneres System kannte man nicht. Und man konnte zu diesemBegriff auch erst kommen aufgrund radikal veränderter erkenntnistheoretischer Vorstellungen, nach denen das Wissen eben nicht nur einfach die vorgegebene geordnete Wirklichkeit abspiegelt. 198 b) Eignung der Darstellungsformen fiir ein deduktives System? Hinzu kommt aber noch, dal? sich die Methoden des 16. Jahrhunderts fur ein inneres Systemgar nicht eignen. Fiir die partikulare Methode ist das leicht einsichtig. Sie verteilt ja lediglich die Regeln, die fiir einen bestimmten Gegenstand gelten, auf die geläufigsten Topoi, wie Definition, Division, Voraussetzungen (causae), Folgen (effectus). Die Rechtsvorschriften werden nur an bestimmten Plätzen sozusagen abgelegt, wo man sie leicht finden kann. Eine logisch-hierarchische Ordnung des gesamten Rechtsstoffs nach Prinzipien, aus denen sich dann deduktiv Sätze fiir speziellere Fälle gewinnen lassen, liegt in dieser Methode nicht. Dagegen scheint die universale „dihairetische“ Methode den Anforderungen an ein deduktives Rechtssystem eher zu entsprechen. Denn wenn man einen Gegenstand in Gattungen, Arten, Unterarten usw. aufspaltet, dann lassen sich ja die Aussagen, die fiber die Gattung, Art usw. gemacht werden, auf die jeweiH. Donellus (Fn. 4), lib. 1, cap. 1, § 1 (S. 3): ..Quid ergo in ilia compositione desideramus? Si dc rebus quaeritur, non modo nihil, sed etiameaedem illae ipsae res sunt, quibus utimur, ad quas et ipsi turn retinendas, turn explicandas accedimus; si de ordine et collocatione, requirimus omnia." S. dazu Jan Schroder. Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz" auf deutschen Universitäten an der Wende zum19. Jahrhundert, Frankfurt amMain 1979, S. 15 f.;Jacob und WilhelmGrimm: Deutsches Wörterbuch, 14. Bd., 2. Abt., Leipzig 1960, Sp. 783 ff., 791 ff. ■*** S. J. Schroder (Fn. 47), S. 86 ff., 99 ff.; Manfred Riedel: System, Struktur, in: O. Brunner/ W. Conze/ R. Koselleck (Hrsg): Geschichtliche Grundbegriffe, 6. Bd. (Stuttgart 1990), S. 292.
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