ZUR METHODKNLEHRE IM EUROPÄISCHEN PRIVATRECHT 2. Evidcntc Niitzlichkeit eines „innere7i Systerns^? Eine zwcite Erklärung könnte darin liegen, dal^ der Vorzug der neuen Methoden so zwingend und geradezu logisch evident war, dafi sie sich sofort grenzuberschreitend durchgesetzt haben. In diese Richtung geht wohl die auch heute noch in der modernen deutschen Literatur herrschende Ansicht, wonach sich die methodischen Anstrengungen des 16. Jahrhunderts auf ein deduktivaxiomatisches „inneres System" gerichtet haben, das auch Erkenntniszwecken dienen solltc"^^. Em derartiges System hättc ja enorme Vorziige, indem cs den Stoff durch Reduktion auf Prinzipien verringern und seine Anwendung und Erlernung vereinfachen wiirde. Es ware nicht iiberraschend, wenn man diese Vorztige soglcich europaweit erkannt und nutzbar zu machen versucht hätte. Unsere Untersuchung hat nun aber gezeigt, dal^ man im 16. Jahrhundert kein zu Erkenntniszwecken dienendes deduktives System anstrebte. „Methodus“ bzw. „ordo“ sind im Verständnis des 16. Jahrhunderts nur Techniken zur Ordnung, nicht aber zur Erfindungvon Wahrheiten. Sie sollen das Rccht nurbesscr als bisher - Jarstcllen, nicht aber erkennen. Von der Erkenntnis eines inneren Systems ist nirgends die Rede. Dariiber hinaus aber fehlt der Begriff eines inneren Systems im 16. Jh. iiberhaupt. Und die Methoden der Juristen waren auch gar nicht dazu geeignet, ein solches System hervorzubringen. Das möchtc ich noch kurz zeigen. 197 a) Ein „inncres System" in der Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts? Der Abstand, der zwischen den Systemvorstcllungen des 16. und des 19. Jahrhunderts Hcgt, wird viellcicht am deutlichsten, wenn man zwei Bemerkungen seiner beruhmtesten Systematiker mitcinander konfrontiert. Friedrich Carl von Savigny schreibt 1840: Die systematische Methode ist die „Erkenntnil^ und Darstellung des inneren Zusammenhangs oder der Verwandtschaft, wodurch die einzelnen Rechtsbegriffe und Rechtsregcln zu cincr grofien Einhcit verbunden werden"'^'*. Scin Ziel ist also nicht nur die Darstellung, sondern die Erkenntnis eines inneren Zusammenhangs und dann erst die Darstellung. Und auf die Darstellung kommt es gar nicht so entscheidend an, cs ist hier nach Savigny sogar „eine gewisse Duldsamkeit zu fordern, ja selbst einiger Spielraum ftir den subjectiven Bildungsgang des Schriftstellers"'^^. Das ist die Lehrc des 19. Jh.s vominneren System. Dagegcn sagt 1589 Hugo Donellus uber das Ziel seiner „Commentarii" schon auf der ersten Seite: „Was vcrlangen wir also von einer solchen Komposition (sc. der Digesten und seines eigenen Buches)? Wenn von den Sachen selbst die Rede ist, verlangen wir gar nichts ... wenn aber von der Ordnung und Zusammenstellung die Rede ist, verlangen wir S.o. Pn. 9. Fricdncli Carl vo7j Savigny: System des heuti^en römischen Rechts, 1, Berlin 1840, S. XXXVI. F. C. V. Savigny (Fn. 44), S. XXXVII. u
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