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Jan Schröder II. Der Grund fiir die methodischen Gemeinsamkeiten Lassen Sie mich nun also die Frage nach den Grunden fur die methodischen Gemeinsamkeiten stellen. Ich möchte drei Erklärungsversuche erörtern: 196 1. Gemeinsamkeit der Methode wegen der Gemeinsamkeit des Rechts? Es liegt zunächst nahe, den Grund fiir die methodische Gemeinsamkeit in Deutschland und Frankreich in der Gemeinsamkeit des Rechts, des „ius commune“ mit seinen römischen Wurzeln zu sehen. Bei näherer Betrachtung halte ich diese Erklärung aber nicht fiir iiberzeugend. Denn „methodische“ Rechtsdarstellungen gibt es ini 16. Jahrhundert eben auch aul^erhalb des „ius commune“, wie etwa die Universalrechtssysteme Bodins und Pierre Grégoires-^*^. Und es gibt sie offenbar auch innerhalb eines national begrenzten Rechts, wie fur das französische Recht von Le Caron'*^. Und blickt man einmal iiber das 16. Jahrhundert hinaus, dann wird man wohl auch sagen miissen, dab sich gemeinsame methodische Tendenzen in Europa gleichzeitig auch in ganz unterschiedlichen Rechtssystemen entwickelt haben. So scheint es eine Art Gesetzmäbigkeit zu geben, dab sich nach dem Inkrafttreten einer Kodifikation zunächst eine sehr positivistische, gesetzestreue Methodik etabliert, wie etwa die exegetischen Schulen des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Österreich'*'. Ebenso schlägt dann später offenbar häufig diese positivistische in eine eher freirechtliche Richtung um. So geschieht es - auf nach wie vor ganz unterschiedlicher Rechtsgrundlage - im späten 19. Jahrhundert fast gleichzeitig in Frankreich und Osterreich, aber auch in Italien und Deutschland. Paolo Grossi hat das in seinem Essay „Juristischer Absolutismus und Privatrecht“ sehr schön gezeigf*-. Die Existenz des „Ius commune" ist also m.E. keine ausreichende Erklärung fiir die Methodenbewegung imDeutschland und Frankreich des 16. Jahrhunderts. Sie ist es imiibrigen auch schon darum nicht, weil sich die methodischen Bestrebungen ja auch in der Philosophie und in anderen Disziphnen finden, die mit dem „ius commune" nicht das Geringste zu tun haben. S. o. Fn. 5. S. dazu Donald R. Kelley. Louis Le Caron philosophe, in ders.'. History (Fn. 7), IX. ■" Vgl. fur Osterreich etwa 'X'erner Ogris: Der Entwicklungsgang der österreichischen Privatrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Berlin 1968; fur Frankreich Boudewijn Bouckaert: De exegetische school, Antwerpen 1981; kritisch gegenuber den herkömmlichen Vorstellungen jetzt allerdings Alfons Biirge: Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1991, S. 518 f. und öfter (s. Register zu „Ecole de P exégese"). ■*2 Deutsche Fassung: Paolo Grossi: Juristischer Absolutismus und Privatrecht im 19. Jahrhundert, Tiibingcn 1992; und in: Juristische Theoriebildung und rechtliche Einheit, Lund 1993, S. 37 ff.

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