ZUR METHODENLEHRE IM EUROPÄISCHEN PRIVATRECHT 195 die - abcr, wie gesagt, in diesem Punkt viel freier verfahren, als die Deutschen - deckt sich ungefähr mit den vier Fragen, die Aristoteles in seiner zweiten Analytik fiir die Untersuchung eines Gegenstandes vorgeschlagen hat, nämlich an sit? quod sit? quid sit? und propter quid sit?, also: ob er ist, was er ist, wie beschaffen er ist und warum er ist. Melanchthon wollte, wie er selbst sagt, dieses Fragenschema fortentwickeln. Andere Philosophen des 16. Jahrhunderts haben es aber in der urspriinglichen Formbeibehalten^^. Versucht man wieder, sich die Sache selbst klarzumachen, dann sieht man, dal? es hier, noch mehr als bei der Universalmethode, nur um eine Frage der darstellerischen Zweckmäl?igkeit geht. Es handelt sich im Grunde um sehr harmlöse Dinge, trotz der gelehrten Einkleidung. Umetwa ein Rechtsinstitut, wie den Kauf, von alien Seiten zu erfassen, wird man zunächst einmal seinen Begriff, seine Erscheinungsformen und vor allemseine Voraussetzungeri (also die „causae“) darlegen. Das wären beim Kauf die möglichen Kaufobjekte (causa materialis), etwaige Formerfordernisse (causa formalis) und die Personen, die einen Kaufvertrag abschlie(?en können (causa efficiens, also z.B. nicht Kinder und Wahnsinnige). Nun mul? man aber auch eine Rubrik fur die Folgcri des Kaufvertrages haben. Man kann sie an die vierte „causa“, die „causa finalis“ ankniipfen. Aber streng genommen ist die causa finalis nicht genau dasselbe wie die Folgen, die „effectus“, also die Verpflichtung des Verkäufers zu liefern und des Käufers zu zahlen. Es empfiehlt sich also in der Tat, das kurze aristotelische Schema noch umdiesen Topos „effectus“ zu verlängern. Etwa in dieser Weise behandelt z.B. Duarenus den Kaufvertrag^''*. Dann kann man vielleicht auch noch die dem Kauf iihnlichen (Tausch) und gegensätzlichcn Rechtsgeschäfte (Schenkung) hinzunehmen. Damit ware man dann in etwa beimTopoi-Katalog Melanchthons und der deutschen Juristen. Fur ihn sprechen also gute Grunde. Zwingend ist er natiirlich keineswegs, und man kann die französischen Juristen gut verstehen, wenn sie sich nicht bedingungslos dieser etwas pedantischen Darstellungsmethode unterworfen haben. ImErgebnis ist jedenfalls festzuhalten: Deutsche und französische Juristen bewegen sich auch bei der Partikularmethode mindestens auf der selben Grundlage, diese Grundlage stimmt wiederum mit den philosophischen Methodenlehren ihrer Zeit iiberein, und Methode ist natiirlich auch hier wieder nur die zweckmäfiige Darstellung und richtet sich nicht auf die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Im Ganzen haben sich also, wie ich meine, die methodischenTendenzen des 16. Jahrhunderts sowohl fiber die nationalen, als auch fiber die Fächergrenzen hinweg durchgesetzt. EtwaJohannes Caesarius: Dialcctica, Köln 1532, Tract. VII, fol. 1 5r/v. 38 Wic oben Fn. 33.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=