Jan Schröder hen, indemsie eine Disziplin aus den kleinsten Elementen, also den allgemeinsten Begriffen zusammensetzt, aus denen alles andere gefolgert werden kann (so wie es später etwa Christian Wolff und seine Schule versucht haben). Demgegeniiber ist die dihairetische Methode - ini weitesten Sinne als die Aufspaltung eines Inbegriffs von Gegenständen oder Begriffen in Gattungen und Arten oder Teile verstanden - eine universale Ordnungstechnik, mit der man nicht nur Wissenschaften einteilen, sondern auch z.B. Kleider, Geschirr und Bucher sortieren kann und deren Anforderungen auch ein so wenig wissenschaftliches Einteilungsprinzip wie das alphabetische noch geniigt. Wenn man im16. Jahrhundert die dihairetische trotzdem der wissenschaftlicheren synthetischen Methode vorgezogen hat-'*, tat man das deswegen, weil es den Juristen und Philosophen nur um die nachvollziehbare Darstellung einer Disziplin ging, nicht um Erkenntnisfragen oder zwingende wissenschaftliche Beweise. Die Qualität der Methode wird nur daran gemessen, ob sie, wie es bei Ramus heilk, ordentlich vom Bekannten zum Unbekannten fortschreitet, ob sie dem „einzigen System, nach demwir lernen“, wie Agricola sagt, entspricht. In der Tat wird man ja bei einem Schuler, der noch nichts vom Recht kennt, ambesten „dihairetisch“ vorgehen, ihm also zunächst den Begriff Recht erklären, dann dessen Arten oder Teile, etwa öffentliches Recht und Privatrecht. Man wird ihn aber nicht „synthetisch“ mit einer Fiille allgemeiner Axiome iiberfallen (etwa Aussagen zu Recht, Gesetz, Verbindlichkeit, Zurechnung), aus denen dann alles Folgende abgeleitet werden kann. Methode ist eben - das kann man nicht oft genug sagen - imVerständnis des 16. Jahrhunderts fiberhaupt kein Erkenntnisverfahren, sondern eine Darstellungstechnik: „die Art und Weise, richtig und in der Ordnung zu lehren" (Melanchthon 1534)-5, die „Disposition, durch die unter mehreren Dingen das Bekannteste an die erste Stelle gesetzt wird“ (Ramus 1555)^^, kurz: das „Instrument der Lehre“, wie der deutsch-niederländische Jurist Matthaus Wesenbeck 1585 schreibt^^ - und 192 ’■* Das gilt uneingcschränkt fiir die Juristen, während es bei den Philosophen gegeniiber der „modernen“ humanistischen, durch Agricola und Ramus reprasentierten Richtung auch eine konservative Opposition gab, s.o. Fn. 22, 23. Eine neue Wendung nimmt die Entwicklung dann durch den beriihmten Traktat „De Methodis libri IV“ des Jacobus Zabarella von 1578 (auch in dcrsr. Opera Logica, 3. Ausg. Köln 1597, Sp. 133 ft.), der nur noch die resolutive (analytische) und die kompositive (synthetische) Methode - nicht aber mehr die definitive (dihairetische) - anerkennt und sie jeweils bestimmten Disziplinen zuweist (vgl. dazu meine o. Fn. 11 zitierte Abhandlung). Zabarellas Lehre bleibt aber in der Rechtswissenschaft des 16. Jh., soweit ich sehe, noch ohne Auswirkungen. Philipp Melanchthon: De dialectica libri IV recogniti, Wittenberg 1534, fol. L 5r (dies sei der Methodenbegriff der „veteres“). Vgl. auch ders.: Erotemata dialectices, 2. Ausg. Wittenberg 1548; „ordo explicationis, „methodos“ bedeute also „rectamviamseu ordineminvestigationis et explicationis sive simpliciumquaestionumsive propositionum" (fol. 55r). Wie Fn. 20,21. Matthaus Wesenheck: Quaestiones de studio iuris instituendo (=2. Teil von desselben „Prolegomena lunsprudentiae"), Leipzig 1585, S. 45.
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