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Das europarkcht mögcn der Juristen, aus unumstöl^lichen Grunden Rechtsprinzipien herzuleiten, macht die Voraussetzung dieser Uberlegung aus. So kann es sein, dalJ fast 200Jahren nach Savignys vernichtenden Kritik der Kodifikationspläne, die naturrechtliche Rechtswissenschaft aus dem historischem Dunkel geholt wird, um als ius commune den Rechtswissenschaftlern einen Platz bei den europareehtlichen Fleischtöpfen zu verschaffen. Aus diesem Gesichtswinkel scheint der Plan zu einer von der Rechtswissenschaft getragenen Kodifikation eher als eine unselige Allianz zwischen gesetzgeberischemund rechtswissenschaftlichemGröbenwahn. Daraus erkkären sich auch, meiner Meinung nach, die Verbindungen zwischen Naturrcchts- und Kodifikationskritik in Savignys Streitschrift „Vom Beruf unserer Zeit fiir Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“.'^ Savignys kritische Uberlegungen gelten nicht dem Rechtsquellenstatus der Gesetzgebung, nicht cinmal in erster Linie der Kodifikation, sondern uberhaupt alien Mabnahmen, die die Rechtsquellenlehre aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Savignys Kritik der Naturrechtslehrc sowie der Kodifikationspläne, miissen als ein Plädoyer fiir eine Kompetenzverteilung unter den Juristen verstanden werden, die zu Rcchtsquellenpluralismus fiihrt. Damit wird auch deutlich, da£ wir, wenn wir diese Kritik als bcrcchtigt ansehen, die Frage nach Rechtsvercinhcitlichung änders formulieren miissen. Rechtscinheit ist eine politische Vision, die heute vorherrschend ist - und die Juristen haben sich diesem Bestreben gegeniiber loyal zu verhalten. Abcr wenn die verlangte Rechtscinheit keine wisscnschaftliche Selbstverständlichkcit ist, dann miissen wir uns auch das Rccht vorbehalten zu behaupten, daE das Verlangcn nach Rechtscinheit - noch! - nicht der juristischen Realität entspricht. Und gerade das ist der Schluft Savignys: was in der politischen Sprache „Rechtseinheit“ heifit, muB ins „Juristische“ als „Rechtsannäherung“iibersetzt werden. Savigny stellte in „VomBeruf ...“ fest, dab die Erklärung des niederschlagenden Ergebnisses jedes Vcrsuchs, Rechtscinheit zu schaffen, in der falschen Formulicrung der Fragestellung zu suchen sei. Der rechtgeschichtlich und rechtstheorctisch geschulte Jurist wiirde somit nie Rechtscinheit verlangen, denn das setzt eine gesellschaftlichc Konformität voraus, die völlig unrealistisch ist. Das Recht wird immer unterschiedliche Lebensbedingungen wiederspiegeln. Das bedeutet allerdings nicht, dafi das Recht von der gesellschaftlichen Entwicklung durchgehend bedingt ist - die Gesellschaft wird ja natiirlich ihrerseits von der Abfassung der Rechtsordnung beeinflulk. Das dialektische Verhältnis zwischen Gesellschaft und Recht, das die Historische Rcchtsschule 181 Siche S.ivignys Behauptung, daB die Gesetzbiicher „in reiner Abstraktion fiir alle Völker und alle Zeiten gleiehe Brauehbarkeit haben" sollen, aa O. S. 3; vgl. S. 11; „das allgemeine Vernunftreellt, ohne Riieksieht auf etwas bestehendes, solle diesen Inhalt bestimmen". Recbtsangleiehung, Harmonisierung und d.g.l. 13

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