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Das Europarecht -von der politischenVision zumrechtswissenschafdichen Alptraum? Marie Sandström Das Tagesthema der rechtswissenschaftlichen Diskussion scheint die Entwicklung des Europarechts zu sein. Diese Dominanz — oder Einseitigkeit, wenn man so will - ist allerdings nicht verwunderlich, denn es handelt sich zweifellos um ein wichtiges Ereignis in der europäischen Rechtsgeschichte. Die Vision europäischer Rechtseinheit wird oft als ein Paradigmenwechsel dargestellt; ab und zu wird behauptet, dal^ die im Maastricht-Vertrag vorgesehene rechtliche Integration eine förmliche Revolution in der europäischen Rechtskultur verursachen wird. Als Endergebnis soil dieser Vorgang eine Rechtswissenschaft hervorbringen, die sich von den gewohnten, national beschränkten, dogmatische Vorstellungen emanzipiert hat. Eine breite, internationale Perspektive soil als ein frischer Hauch durch die akademische Rammer ziehen. Trotz der einen oder anderen Ubertreibung ist es ohne Zweifel so, dalJ diese Diskussion eine Reihe von rechtswissenschaftlichen Fächern mirakulös wiederbelebt hat; akademische Disziplinen, die friiher nur imSchatten der nationalen Rechtsdogmatik existiert haben, lenken plötzlich die Aufmerksamkeit auf sich. Durch diese Thematik scheint vor allemdie Rechtsvergleichung eine anscheinend fiir immer verlorene Position wiedererobert zu haben.' Auch Vertreter anderer sogenannter Randfächer innerhalb der Rechtswissenschaft, wie etwa Rechtsgeschichte, römisches Recht, Rechtsphilosophie und, wenn auch in geringeremMal^e, die allgemeine Rechtslehre haben Morgenluft gewittert. Während des Sommersemesters 1995 wurde an der juristischen Fakultät der Universität Hannover ein Seminar fiber das Thema „Europäische Rechtspraxis“ organisiert. Als Gegenstand dieser Seminarreihe wurde die Frage der „Homogenität und Differenzierung des Zivilrechts in Europa“ angegeben. Der pädagogische Zweck dieses Seminars war also nicht in erster Linie, die Studenten im Europarecht an sich, d.h. de lege lata zu orientieren.- Die Absicht war vielmehr, die Ahnlichkeiten und Unterscheide der verschiedenen europäischen Rechtssysteme festzustellen und nachzuverfolgen. Erst dadurch sollte die Rechtswissenschaft in die Lage versetzt werden, zur Entwicklung ' Die Universitätsbehörden und Fakultäten haben eine unerwartete Kreativitat gezeigt, als sie die Professuren in der Rechtsvergleichung bezeichnet haben, z.B. ..comparative legal culture". - Wenn auch solche Momente im Untcrricht vorhanden vvaren, z.B. extensive Darstellungen der EuGH-Praxis.

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