ZWISCHEN STATISCHEN RECHTSKATEGORIEN setzen, daft die Vielfalt latent schon in der Vernunft liege. Eine solche Annahme vertieft indessen die Problematik, weil sie ihrerseits gegen das Prinzip der Vernuft, das Einheit ist, gerichtet ist, was seinerseits mit den gegebenen Voraussetzungen die Vielfalt ausschlielk. Es ist unvermeidlich, dalJ die Wissenschaft ihr Suchen nach Einheit der Erkenntnis nicht aufgeben kann. Ebenso unvermeidlich ist die Tatsache, dal5 die Vielfalt existiert. Die Deduktion scheint in noch höherem Grade als das induktive Verfahren den Hiatus oder die unuberbrtickbare Kluft, in die diese Methodlehre miindet, blol^zulegen. Um es mit einer Paraphrase von Kant zu sagen: In einer solchen Situation schreckt die Vernunft vor dem Anblick der scheinbar chaotischen Objektswelt zuriick. Als methodologische Folge ergibt sich deswegen mit Notwendigkeit die Wahl zwischen „logischem Despotismus oder individueller Willkuhr"'^^ weil sich nach den gegebenen Spielregeln apriorische Einheit mit aposteriorischer Vielfalt nicht vereinen lälk. Die Induktion wurde von den Naturrechtslehrern als Erkenntnisweg vorgezogen, da sie noch amehesten das unkompliziert zu leisten schien, was sie versprach, nämlich durch einen Abstraktionprozefi die apriorischen Kategorien blol^zulegen, die der theoretischen Annahme nach im Wirrwarr des positiven Recht verborgen liegen. Aul^erdem erweckt das induktive Verfahren im Gegensatz zum deduktiven den Eindruck, den Vorteil zu haben, dal?i man sich schon am Anfang der Arbeit an etwas halten kann, von demman ausgehen kann, d. h. an empirisches Material. ImVergleich mit der Induktion erscheint dagegen die Deduktion als diirr und mager. Bei jedem Versuch dieser Art mulke man sich jedoch daruber klar gewesen sein, daft alle induktive Verfahren das voraussetzen, was bewiesen werden soil, d. h. der Abstraktions- oder lieber Selektionsprozefi muB von schon erkannten Auswahlskriterien ausgehend vorgenommen werden. Eine voraussetzungslose Induktion gibt es also nicht. Das induktive Verfahren kann ohne ein Vorauswissen dessen, was man sucht, nicht durchgefiihrt werden. Deswegen fiberrascht auch nicht, dab die Naturrechtslehrer die induktive Methode zu dem oben angegebenen Zweck wenn tiberhaupt dann nur in geringemUmfang benuzten. Statt dessen wurde der ganze Theoriebau so gut wie ausschlieblich auf deduktivem Weg ausgefiihrt. Deduktion aus unerschiitterlichen Griinden, ex inconcussis principiiis, war mit der wissenschaftlichen Methode per se identisch, was ChristianWolff mit der Formel zusammenfabt; „continuo ratiocinationis filo deducere“.^^ Die theoretische Ambivalenz ist offenbar, wenn der wolffianischeJurist Daniel Nettelbladt das deduktive Verfahren in zwei völlig unterschiedliche Argumentationslinien, eine philosophische und eine historische, aufteilt: Ich nenne aber notwendige Wahrheiten diejenigen, welchc einen notwendigen Grund haben, willkiihrliche aber, welche nur einen willkiihrlichen Grund Stahl, a.A., S. 186. Wolff, Institutiones Juris Naturae, §62. 129
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