Kjell ÅModéer von Reichtskammergericht und Reichshofrat hingewiesen.^^ Historische Elemente finden sich auch imtraditionellen Föderalismus mit seinemHintergrund in den alten Strukturen von Kaiser, Reich und Ständen. Die zuriickblickende Traditionsargumentation bietet eine Erklärung fiir die starke autonome Stellung der Rechtsprechung der Bonner Republik in der Nachkriegszeit. Auch die seit etwa 1980 zunehmende, inzwischen umfangreiche rechtshistorische Literatur zur Bewertung der Rolle der Juristen in dritten Reich kann als Beispiel angefuhrt werden. Auch hier waren die Argumente deutlich strikt und orthodox kritisch: Die rechtspolitische Darstellung von Ingo Muller iiber „Furchtbare Juristen“ trug so zu einemfast schablonmäfiig kritischen Bild bei.^^ Heute gibt es andere nuancenreichere Darstellungen, die teleologisch argumentieren, kritisch, bewältigend, aber gleichzeitig ein komplexeres Bild bieten.‘*° Kann man vielleicht imheutigen Bewältigungsprozel? eine eher dynamische als kritische Argumentation finden? In Europa haben die Veränderungen auf dem Feld der Politik zu Machtkämpfen zwischen Parlamentariern und Richtern gefuhrt. Besonders die supranationalen Gerichtshöfe spielen eine archetypische, wachsende Rolle im politischen Leben der europäischen Länder. Gleichzeitig hat sich in der europäischen Integrationsarbeit eine riickblickende Dimension entwickelt. Es handelt sich nicht nur um Diskurs und Debatte um die Rolle des Europarechts als einem neuen ius commune, auch nicht um eine Renaissance des römischen Rechts des vorigen Jahrhunderts,"*' sondern auch um die individuellen Menschenrechtsdokumente als organisch entwickelte, urspriinglich aus christlicher Ethik und Moralphilosophie entstandene Moralcodices. Von einem kritischen Geschichtsargument hört man in den westeuropäischen Ländern zur Zeit nicht viel. In den osteuropäischen Ländern ist jedoch nach den politischen Revolutionen ein rechtsstaatliches Konzept eingeftihrt worden. Diese Einftihrung des europäischen Rechtsstaatskonzepts und die Implementierung der europäischen Menschenrechtskonvention sind Bestandteil der osteuropäischen Integrationsarbeit, kniipfen aber auch an eine kritisch historische Argumentation an. Ulrich Eisenhardt, Zu den histonschen Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland. In: Friedrich Battenberg & Filippo Renieri, Geschichte der Zentraljustiz in Mitteoleuropa. Festschrift fur Bernhard Diestelkamp zum65. Geburtstag, Weimar 1994, S. 17 ff. Ingo Muller, Furchtbare Juristen: Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz, Kindler Miinchen 1987. Michael Stolleis, Recht im Unrecht: Studien zur Rechtsgeschichte des Nationalsozialismus, Suhrkamp Frankfurt/Main 1994. Ober diese Diskurse siehe z. B.: Christian Baldus und Andreas Wacke, Frankfurt locuta, Furopa finita? Zur Reinen Rechtsgeschichtslehre in Band 12, 1993 des Rechtshistorischen Journals (RJ) und zu anderen Zweifeln amGegewartswert des Römischen Rechts. In: Zeitschrift fur neuere Rechtsgeschichte, 1995, S. 283 ff. mit weiteren Hinweisen. 118
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