Theorik und praxis 111 Law festgelegtc Prinzipien leben welter, bis eine neue Entseheidung das iiberkt^mmene Reehtsprinzip ändert oder ergänzt. Das System wachst und verändert sich organisch wie ein alter Baum. Umgekehrt ist es mit der Gesetzgebung. Eine Kodifikation des aufklärerischen Typs war wie eine rechtspolitische Totallösung. ImNationalstaat wurde die Kodifikation zum kulturellen Identltatssymbol des Staates. Zugleich wurde das historische Argument ganz oder zum Teil der politischen Lösung untergeordnet. Positivismus brachte (und bringt) auch eine reine Politik des starken Sozialstaates, ist (oder war) visionares Wollen von Reformen. In einem derartigen System fehlt der Raum fur historische Argumentation. Es enthält aber vielerlei Platz fur Konflikte zwischen konservativen, traditionellen Richtern und progressive!!, visionären Gesetzgebern. 3. Das historische Argument ImErgebnis zeigt sich, dab historische Argumente sehr unterschiedlich eingesetzt werden können. (a) Sie können statisch eingesetzt werden, als naturrechtliche, ewige Wahrheiten bezeichnend. Dann aber wird kein historisches Argument vorgetragen, sondern ein Wahrheitsargument, eines, das immer und iiberall gilt, also gerade unabhängig von der Geschichte. Dennoch kann man es dann „historisch“ nennen, wenn man sagen will, diese Wahrheit sei einmal an einem historischen Punkt eingesetzt worden und miisse nun fortgelten. Die immer geltenden Rechtsregeln wie „Pacta sunt servanda“ oder die zehn Gebote der mosaischen Steintafeln sind von einem solchen statischen, von sozialen und politischen Verhältnissen der jeweiligen Gegcnwart nicht beeinflulken Argument geprägt. Die Germanisten des 19. Jahrhunderts sprachen vom guten, alten Recht. Was gut ist, ist alt, und was alt ist, ist gut. So verfährt man bei der historischen Interpretation vein Verfassungen — beispielsweise in den USA —, um Neuerungen abzuwehren. Unter sogenannten Originalisten oder Fundamentalisten 1st die Frage erlaubt; Was hat der historische Verfassungsgeber/Gesetzgeber gemeint? Nicht erlaubt ist aber die hypothetische Frage: Wie wiirde der historische Gesetzgeber entscheiden, wenn er heute leben wurde? (b) Sie können auch dynamisch eingesetzt werden. Hier wird akzentuiert, dab alles historisch wandelbar ist, also auch das Recht in der Zeit lebt und sich mit ihr verändert. Verfährt man so, kann das historische Argument eingesetzt werden, um Neues einzuleiten. Die Prinzipien sind dieselben, aber die Umstände werden andere, der Kontext ändert sich. Ein Beispiel hierfur findet man im Diskurs um die deutsche Reichsverfassung gegen Ende des 18. Jahrhundert, um 1795. Die französische Revolution
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