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Kjell Å Modéer schaft, Gemeinschaft, Selbsthilfe und dergleichen; man könnte sie aber auch als „modern“ betrachten, weil ihre Forderung nach Deregulierung des Staats die Folge mit sich bringen könnte, dal^ das Gesetz seine Wirkungskraft teilweise verliertd Nicht nur in den USA sondern auch in Europa fuhrt das dazu, daB sich die Gerichte zu politischen Mächten entwickeln. Verfassungsgerichte und uberstatliche Gerichte werden zu Handelnden in eine Art „Vertrauungsdemokratie“, einer démocracie de confience (so Robert Badinter).-'’ Seit dem Bericht des Clubs von Rom, der die Grenzen der natiirlichen Ressourcen zum ersten Mal in das öffentliche Bewufttsein brachte, ist die Bewcgung der „Grunen“ entstanden. Sie hat — obwohl sie teilweise als Protestbewegung auftritt - einen durchaus konservativen Kern: die „Erhaltung“ der Umwelt, den Gedanken der „Umkehr“, der Verderbtheit des sogenannten Fortschritts. Die Rechtswissenschaft folgt diesem Trend der Abkehr vom sozialen Interventionsstaat. Besonders seit dem Zusammenbruch der von der Fortschrittsidee getragenen Welt des Sozialismus wird nun wieder die Ruckkehr zur „reinen Marktwirtschaft“ gepriesen. In diesemSinn ist auch eine bewulste antimodernistische Richtung des amerikanischen Obersten Gerichtshofs zu beobachten. Der im Gerichtshof prägende Richter Antonin Scalia betrachtet sogar das ganze 20. Jahrhundert als „grofien Irrtum“. Man hat ihn deshalb als entschiedenen AntiModernisten bezeichnet und von „reaktionärer Nostalgie“, von Fortschrittsfeindlichkeit und Zweifeln an der industriellen Entwicklung gesprochen.^ Auffällig ist, daB konservative Strömungen der Politik und der Geisteswissenschaften meist mit einer Flinwendung zur Geschichte verbunden sind. In der Geschichte finden sie „Modelle“, die sie auf die Gegenwart zu iibertragen hoffen. Das „geschichtlich Gewachsene“ stellt sich mit einer ihm eigenen Wiirde dar, die zu respektieren ist. Optimistisch-fortschrittliche Richtungen wollen dagegen tendenziell die von der Geschichte tiberlieferten Zustände „uberwinden“, sie wollen sie hinter sich lassen, vielleicht sogar zerstören. Sozialreformer sind antihistorisch, weil sich die Geschichte ihnen in den Weg stellt. So stehen die Begriffe Kontinuität und Tradition gegen Fortschritt und Modernität. Diese Polarität von Vision und Tradition, Revolution und Evolution ist ein häufig wiederholtes Thema der europäischen Rechtsgeschichte. Ich möchte in diesem Aufsatz versuchen, die Rolle des historischen Arguments im20. Jahrhundert zu analysieren. 104 Dazu Pio Caroni, Der Schiffbruch der Geschichthchkeit. Anmerkungen zumNco-Pandektismus. In: Zeitschrift fur Neuere Rechtsgeschichte 1994, S. 85 ff. ^ Kjell Å Modéer, Blott Sv’erige svenska jurister har. In: lurisDICtio Nr 1: 1996, S. 3 ff. ^ Vgl. Antonin Scalia, Modernity and the Constitution. In: Eivind Smith (Hrsg.), Constitutional Justice under Old Constitutions. Oslo 1995, S. 313 ff.

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