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Systematik im umbruch 91 wird allerdings die Möglichkeit, auch das Privatrecht an den Grundfreiheiten zu messen, bejaht.'*^^ Bedeutungsvoll fiir die kritische Einstellung ist die Gefährdung der nationalen Systematik.Bei einer Verhältnismäl^igkeitspriifung diirfte nämlich der Zusammenhalt einer herkömmlichen nationalen Privatrechtssystematik nicht beriicksichtigt werden können.*'*^ Aufgrund dieser Einschätzung wird fiir den Verzicht auf eine umfassende Verhältnismafiigkeitskontrolle privatrechtlicher Vorschriften plädiert.*"^^ Mit dieser Schlul^folgerung verneint man lediglich die privatrechtlichen Dimension der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote. Fraglich ist, ob diese Auffassung mit der kiinftigen Rechtsentwicklung im Einklang stehen wird. Man mub sich vor Augen halten, dal? die Probleme, die dem Vorhandensein unterschiedlicher nationaler Vorschriften im Zusammenhang mit grenziiberschreitenden Sachverhalten folgen, allgemeine — also nicht blol? gemeinschaftsbezogene - integrationsrechtliche Probleme sind. Roth hat darauf hingewiesen, dal? diese primär internationalprivatrechtliche Problematik im Einzelfall mit nur kollisionsrechtlichen Entscheidungen nicht auskommt.’^° Es sei seit langem anerkannt, dal? die „Bildung neuer Sachnormen oder die Modifikation bestehender Sachnormen" als Ergänzung zuminternationalen Privatrecht notwendig ist, um eine angemessene Lösung internationaler Fälle gewährleisten zu können.'^’ Die privatrechtliche Dimension der Grundfreiheiten (und das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV) kann dementsprechend grundsätzlich als eine Erfullung der Aufgabe, angemessene rechtliche Lösungen fiir grenziiberschreitende Sachverhalte zu finden, verstanden werden. Die der grenziiberschreitenden Funktionsfähigkeit von Privatrechtsinstitutionen dienenden Grundfreiheiten (einschliel?end Art. 6 EGV) stellen also besondere, supranationale rechtliche Mittel zur Lösung allgemeiner, imgrenziiberschreitenden Rechtsverkehr auftretender Rechstprobleme dar. Gleichzeitig ermöglichen sie aber auch eine integrierende Rechtsentwicklung. (ImGrunde genommen hätte man — wirtschaftliche Integration vorausgesetzt — derartige Probleme auch ohne die Gemeinschaft bewältigen miissen.) Roth hebt die normbildende und -modizifierende Funktion des Sachrechts „imHinblick auf die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts" her\'or.^52 Dabei liefert er eine Reihe von konkreten Beispielen, die an die Grundfreiheiten ankniipfen. Auf diese wird hier hingewiesen. So Remien, Grenzen der gerichtlichen Privatrechtsangleichung mitteis der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 352; Steindorff, a.a.O., S. 97; Miilbert, a.a.O., S. 11 f. Vgl. Miilbert, a.a.O., in passim; Steindorff, a.a.O., S. 97 f; Remien, Möglichkeiten und Grenzen eines europäischen Privatrechts (En. 1), S. 36 f. 148 Vgl. Miilbert, a.a.O., S. 9 ff. So Miilbert, a.a.O., S. 33. Roth, a.a.O., S. 10. '5' A.a.O. Imiibrigen mit Hinweis auf Savigny; a.a.O, Fn. 32. IS2 A.a.O. '5^ A.a.O, S. 11 ff. 153 14b 147

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