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DiKRFCHTSQUELLENLEHRF IK DER DEUTSCHEN RECHTSWISSENSCHAFT . . . Wisscnschaft. Der Rechtsbegriff war somit in einem doppelten Sinne nicht etatistisch. Verhielt es sich mit der Rechtsordnung so, daft sie zu erheblichen Teilen nicht aus politischen Entscheidungen der Staatsorgane bestand, so batten Juristenstanci und Justiz auch eine politische Neutralität gegentiber den Parteiströmungen und Klassenkämpfen, nicht wegen einer ausschliefilichen Bindung an das Gesetz, sondern wegen der vomStaat unabhängigen ethischen Grundlage des Rechts. Ein streng konservativer Anbänger der bistorischen Schule, der Rostocker Professor Hugo Böhlau, sprach die Konsequenz fiir das Selbstverstcändnis zumindest einiger Juristen in seinem 1871 erschienenen „Mecklenburgischen Landrecht“ deutlich aus: “Mag immerhin der Staat sich die Aufgabe stellen, nicht bloB vorhandenes Recht zu lixieren, sondern auch kiinftige Lebensbeziehungen erst mittels Institutionen schöpferisch und divinierend hervorzurufen: Recht sind solche Divinationen zunächst nicht, so sehr sie auch als Staatswille von Rechts wegen zu respektiercn und pohtisch u. U. notwendig sind. Unsere Siitze scheinen aber geeignet, )ene pohtische Neutralität zu sichern, welche dem geheihgten Boden der Justiz und des Privatrechts, wie unter Allen feststeht, gebiihrt. 79 ‘*38 III. Neue Tendenzen der Rechtsquellentheorie nach 1871 Die Pucbtasche Rechtsquellenlehre konnte sich imBismarckreich nach 1871 in ihren wesentlichen Aussagen nicht behaupten; es kam zu Neuformulierungen in der Rechtswissenschaft, die alle drei Elemente dieser Lehre - Gewohnheitsrecht, Gesetzesrecht und Recht der Wissenschaft — betrafen. Diese Entwicklung kann hier natiirlich nur in den Grundziigen skizziert werden. 1. Das Gcwohnheitsrecht: Die Puchtasche Lehre, wonach eine elementare Schicht von Rechtsiiberzeugungsrecht als Gewohnheitsrecht der staatlichen Rechtsordnung vorgeordnet sei, wird schon in den siebziger Jahren vielfach durch eine Lehre ersetzt, die dem vor Puchta herrschenden und auch dem heutigen Verständnis von Gewohnheitsrecht weitgehend entspricht. Danach ist Gewohnheitsrecht nur eine Ergänzung des Gesetzesrechts; und die Entstehung des Gewohnheitsrechts wird an Gewohnheit und Herkommen gebunden. „Herkommen“ ergibt sich aber vornehmlich durch eine kontinuierliche Rechtsprechung, so daft an die Stelle des Begriffs des Gewohnheitsrechts der des Richterrechts tritt. Dieser Wandel ist bereits in der Schrift „Zur Lehre von den Rechtsquellen“ des jungen Göttinger Referendars Franz Adickes 1872 spiirbar, der Gewohnheitsrecht dadurch definiert, daft die richterlichen Urteile das Bild einer von den gleichen Regeln beherrschten Kette darbieten.^*^ Hier Hugo Böhlau, Mecklenburgische.s l.andrccht I, Weimar 1871, S. 277. Zu Böhlau cf. Stintzing/Landsberg, Geschichte (wie Anm. 15), S. 927, der ihm „national-orthodoxe Verbissenheit" zusehreibt. Franz Adickes, Zur Lehre von den Rechtsquellen, insbesondere iiber die Vernunft und die Natur der Sache als Rechtsquellen und iiber das Gewohnheitsrecht, Cassel/Göttingen 1872, S. 55.

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