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DiF. RKCHTSQUFLl.FNLFHRF IN DFR DFUTSCHFN RFCHTSWISSFNSCHAFT . . . 75 (la die Juristen bereits an der Bildung der ersten Rechtsschicht, des sog. Ge wohnheitsrechts, mafigebend beteiligt sind. Der Komplex von Rechtssatzen, den man in der heutigen Rechtsquellenlehre demRichterrecht zuschreibt, taucht folglich bei Puchta sowohl in Gestalt des Gewohnheitsrcchts als auch in Gestalt des wissenschaftlichen Rechts auf. Das dem Gewohnheitsrecht zugeordnete Richterrecht beruht auf neuen Wcrtungen innerhalb emer entwicklungsfähigen Rechtskultur — das Richterrecht in der Form wissenschaftlichen Rechts ist das argumentativ entfaltete Richterrecht, das Recht von „Judge Hercules", umnochmals Dworkin zu zitieren.*’ Ich hoffe, durch diese kurze Skizze die oft als kompliziert dargestellte und angeblich in sich widerspriichliche Rechtsquellenlehre Puchtas’"* in ihrer Struktur erfabt zu haben. Ich möchte zusammenfassend sagen, daft ich diese Rechtsquellenlehre durchaus fiir in sich stimmig halte und logische Inkonsequenzen nicht entdecken kann. Sie darf auch nicht in demSinne mibverstanden werden, dab fiir Puchta Recht allein ein Produkt logischer Operationen ware - eine solche These lehnt er )a gerade ab. Puchta kennt sehr wohl einen Zweek des Rechts, nämlich die Wohlfahrt. Hören wir ihn selbst in seinen „Pandekten“: „Das Recht hat die Aufgabe, das menschliche Wohl zu befördern, dies ist daher auch ein Princip des Rechts. Aber das Recht dient der menschlichen Wohlfahrt auf dem ihmangewiesenen Wege, welcher in der Hervorhebung der Gleichheit gegeniiber den individuellen Unterschieden in den Menschen und ihren Verhaltnissen besteht. Es ist nicht das Wohl des Individuums, sondern « 25 das Wohl der Gattung, welches die nächste Aufgabe des Rechts ist. “Judge Hercules" ist fiir Dworkin „an im.iginary judge of superhuman intellectual power and patience who accepts law as integrity" - so ders. Law'’s Empire (wie Anm. 22), S. 239. Puchtas Eigur des wissenschattlichen Rechts wird nur dann verstandlich, wenn man auch bei seiner Rechtstheorie einen ..Judge Hercules" supponiert. ’■* So z. B. Eranz Jurgen Säcker, Miinchener Kommentar zum Biirgerlichen Gesetzbuch Bd. 1, 2. Aufl., Mimchen 1984, Einleitung, Rdz. 70: „methodisch unkontrolliertes Nebeneinander von interpretierender und rechtsfortbildender Tätigkeit des Juristen." Alf Ross, Theorie der Rechtsquellen, Leipzig/Wien 1929, S. 141, wirft speziell Puchta doppelten Methodensynkretismus vor. Charakteristisch auch Josef Esser, Richterrecht, Gerichtsgebrauch und Gewohnheitsrecht, in: E’estschrift fur Eritz v. Hippel, hrsg. v. J. Esser'H. Thieme, Tubingen 1967, S. 95—130, hier S. 102 f.: Puchta habe im2. Teil seines „Gewohnheitsrechts“ seine urspriingliche Lehre von der Selbstandigkeit des Juristenrechts „verwischt“. Esser selbst unterscheidet ..originates (Vcrkchrs-) Gewohnheitsrecht", das nur durch gerichtliche Mitwirkung und Bestatigung seine Anerkennung erhalte (S. 124), Gesetzesrecht und „die Autorität wissenschaftlich approbierter opinio juris aufgrund sachlichcr Richtigkeit und Ubereinstimmung mit der lebenden Rechtsuberzeugung" (S. 129). Ihm scheint dabei nicht bewufit zu sein, dais er in moderner Terminologie die Dreiteilung der Rechtsquellenlehre Puchtas wiederholt. Nicht beriicksichtigt ist die doppelte Rolle des Juristen in der entwickclten Rechtstheorie der historischen Schule auch in demeinfluRrcichcn Werk von Carleton Kemp Allen, Law in the Making, 6. Aufl., Oxford 1958, wo es von Savignys und Puchtas Lehre hcil?it (S. 110): „It is not the interpreter’s business to add anything of his own. He is a conduit-pipe (=Leitungsröhre, P.L.), not a source." Puchta, Pandekten, §21 (S. 34). Eir betont ausdriicklich, dal? es eine Zerstörung cfes Rechts sei, wenn man das individuelle 'X'ohl schlechthmzumGesetz fur das Recht mache —so ders., Vorlesungen Bd. 1, §21 (S. 49). 1}

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