Peter Landau senschaft unter das Gesetz sei ein Hauptkennzeichen eines liberalen Zeitalters der Rechtskultur gewesen, das mit der Aufklärungszeit begonnen und vielleicht 1918/19, spätestens 1933 geendet habe. 1988 wurde dieses Geschichtsbild von dem Kieler Rechtshistoriker Hans Hattenhauer auf dem Rechtshistorikertag in Bielefeld in einem Vortrag iiber „Richter und Gesetz“ in folgenden Sätzen zusammengefaftt: „Einerseits war der Richter - vor 1919 — durch seine Unabhängigkeit gegeniiber politischen Weisungen privilegiert, dadurch also per definitionem unpolitisch. Andererseits zahlte er als Preis fiir dieses Vorrecht die absolute Bindung an das Gesetz, aber auch nur das Gesetz. Dieses Gesetz war, um es mit Fremdwörtern zu sagen, egalitär und ubiquitär. Man kann in diesem Sinne von einem Gesetzesabsolutismus sprechen. Diese kontinentale Fassung der Rule of law hat während der Dauer ihrer Herrschaft, von Beccaria bis Windscheid, immer wieder dieselben Bekenntnisse hervorgebracht.“‘* Seit 1919 habe es aber laut Hattenhauer den Prozefi einer fortschreitenden „Instrumentalisierung des Gesetzes, Politisierung des Richteramts und Moralisierung des Rechts“ gegeben.^ Fine solche Charakterisierung der rechtsgeschichtlichen Entwicklung in Deutschland vdm 19. zum 20. Jahrhundert verzerrt jedoch die historischen Sachverhalte. Das Stichwort „Gesetzesabsolutismus“ mit dem Pendant des unpolitischen, subsumierenden Richters nimmt keine Notiz von der wirklichen Positionsbestimmung des Gesetzes in Doktrin und Praxis des 19. Jahrhunderts. Die Doktrin entwickelte die Relation von Gesetz und Recht vor allem in der Rechtsquellenlehre; und hier gab es im 19. Jahrhundert eine originelle, heute fast vergessene und zumindest meist miBverständlich wiedergegebene Theorie, nämlich die Rechtsquellenlehre der historischen Schule, deren Ausformung nach Ansätzen bei Savigny insbesondere Georg Friedrich Puchta zu verdanken ist. Seine Lehre muB man kennen, wenn man die Einordnung des Gesetzes in der Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts erfassen will. 70 II. Puchtas Rechtsquellenlehre Puchtas Hauptwerk trägt bekanntlich den Titel „Das Gewohnheitsrecht von daher liegt das MiBverständnis nahe, der groBe Systematiker der historischen Schule habe in weltfremdem Quietismus gegeniiber den dynamischen « 6 ■* Hans Hattenhauer, Richter und Gesetz 1919-1979, ZRG Germ. Abt. 106 (1989) S. 46—67, hier S. 47. Mit dem sem Vortrag nicht auseinander. ^ So Hattenhauer, a. a. O. S. 46. ^ Georg Friedrich Puchta, Das Gewohnheitsrecht, 2 Teile, Erlangen 1828 und 1837. Eine vollentwickelte Theorie der Rechtsquellen gibt Puchta erst 1837 im zweiten Band — dort vor allem S. 14—21. Ich gehe bei meiner Darstellung ausschliefilich von Puchtas Theorie ab 1837 aus, die auch seinen nach diesemJahr veröffentlichten Lehrbiichern zugrundeliegt. Ogorek 1986 vorgelegten Quellenmatenal setzt sich Hattenhauer in die- von
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