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Paolo Cappellini läufigen Weg mit Kiirzung der Perspektive einzuschlagen, welcher sowohl im theoretischen, als auch im historischen Bereich von einer analytisch-wissenschaftlichen Denkrichtung „praktiziert“ wird, die bei genauerer Betrachtung eigentlich als technokratisch zu definieren wäre. Kennwort dafiir: eine (sozial-) technologische, rationale Jurisprudenz; ein theoretisches und/oder historisches Reinigungsverfahren im Rahmen des sog. Rationalisierungsprozesses des Rechts und der Rechtswissenschaft von jeglichen Spuren von „Unvernunft“, antiquiertem, religiösem, bzw. eschatologischem Gedankengut, Macht- oder Klassenkampf, usw.; kurzum: Rationalitätssonne ohne Schatten. Innerhalb der Hauptströmung klingen vielschichtige Untertöne mit, entwikkeln sich Strategien, die nicht in allem iibereinstimmen: dieses erklärt sich damit, dal? der Kern der Beweisfiihrung in verschiedenen Zeitdimensionen angesetzt wird. So zumBeispiel Hans Albert. Sein Schwerpunkt: Die neuartige Herstellung einer wesentlichen Beziehung der rechtswissenschaftlichen Disziplin zur realwissenschaftlichen Erkenntnispraxis; seine Zeitdimension: (hauptsächlich) Gegenwart/Zukunft. In diesem Zusammenhang erkennt Albert zwar zunächst den Kern der rechtswissenschaftlichen Disziplin gerade in der sogenannten „dogmatischen Jurisprudenz" an, stellt aber zugleich die traditionelle Deutung derselben — d. h. die These vom normativen Charakter diser Disziplin, „die von vielen fiir selbstverständlich gehalten wird“ — mit einer ganz gezielten Absicht in Frage. Sein Argument wird in der Tat gleich zu Beginn deutlich: kurzgefal?t handelt es sich um die Feststellung, dal? im traditionellen juristischen Sprachgebrauch die Berechtigung der Bezeichnung „dogmatisch“ nicht ganz einzusehen ist; so ergäbe sich etwa nach dem oben genannten Gnaeus Flavius — alias Kantorowicz - diese Berechtigung schlichtweg daraus, dal? „die von ihr analysierten Regeln von ihm ,Dogmen* genannt werden; aber auch wenn man diesen merkwiirdigen Sprachgebrauch akzeptiert, kann man diese Charakterisierung des Gegenstandes dieser Disziplin doch nicht ohne weiteres auf sie selbst ubertragen“.'° Also: Dogmatik (was immer in dem Begriff anhalten ist) hat wegen der in ihr praktizierten Auslegungsverfahren die Rekonstruktion des „geltenden Rechts" als Aufgabe. Aber dabei „handelt sich wohl um Tatbestände der sozialen Wirklichkeit", und dann wären „die Deutungshypothesen fiir die in Frage kommenden Rechtstexte demnach wieder nur Hilfsmittel fiir die Aufstellung normaler Hypothesen fiber soziale Tatbestände — nähmlich fiber bestimmten Steuerungsphänomene — in bestimmten sozialkulturellen abgrenzbaren Raum-Zeit-Gebieten“." Wenn daher die angedeutete neo-liberale Wiederherstellung einer „Wesens“- beziehung zwischen Rechtswissenschaft und sozialer Wirklichkeit in einer fast vollständigen Unterordnung der theoretischen und praktischen JurisprudenzH. Albert, Traktat uber rationale Praxis, Tubingen, 1978 S. 78, FN. 36. " A. a. O., S. 78. 16

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