239 DkUTSCHEBHGRiri'SJURISPRUDENZ UND KOniFIKATlONSSPRACHE . . . beiten erhebliche Bedeutung gchabt zu haben. Die erste Kommission war sich schon in ihrer zweiten Sitzung dahin einig, „dafi die Redaktören sich, was die juristische Terminologie angeht, möglichst der deutschen Sprache bedienen sollen, so weit es, ohne in Purismus zu verfallen, oder die Verstandlichkeit zu beeintrachtigen, ausfiihrbar, und daB dieselben sich, abgesehen von den Fallen, wo reglementarische Bestimmungen zu geben sind, möglichster Ktirze befleilsigen und von Kasuistik frei halten sollen.“ Durch die Entscheiciung fiir eine neue Terminologie unti damit fiir eine neue Begriffsbildung sowie gegen konkrete Kasuistik, wie sie impreuf^ischen Allgemeinen Landrecht prägend war, und fur abstrakte Regelungen wurde — vielleicht bewubt, wahrscheinlicher unbewufit - ein Schutz gegen die Dominanz einzelner Staaten aufgebaut. Mit cfer Konstruktion neuer Begriffe und Begriffssysteme — oder besser; koharenter Prinzipien und ihrer Umsetzung in abstrakte gesetzliche Vorschriften — wurde zugleich eine neue, kiinstliche Sprache, die zukiinftige Sprache eines einheitlichen deutschen biirgerlichen Rechts aufgebaut und eingefuhrt. Sie ging von iiberkommenen Vorstellungen aus, konnte beispielseise tiberzeugende Lehren der Pandektistik unci konsensfähige Regelungen aus Partikularrechten inkorporieren, war aber zugleich von den Bindungen der Uberlieferung befreit. Die Verschiedenheit von den Rechtssprachen der deutschen Staaten, die Distanz zu ihren gebräuchlichen Legalterminologien liefi jedoch die Provenienz nicht deutlich werden; die nur partielle Veroffentlichung der Vorarbeiten in den Motiven der ersten und den Protokollen der zweiten Kommission tat ein iibriges. Mir scheint deshalb die begriffsjuristisch geprägte Sprache auch als Chiffrierung, als Tarnsprache gewirkt zu haben, die wesentlich dazu beitragen konnte, politische Empfindlichkeiten wegen der unterschiedlichen Beriicksichtigung oder Nichtberiicksichtigung einzelner Partikularrechte zu vermeiden und damit das Erreichen des Ziels der Arbeiten nicht zu gefährden. Wurden die Stellungnahmen fur ein Partikularrecht einmal zu deutlich, wurde, wie z. B. in der Frage der Grundpfandrechte, die preuBische Provenienz der vorgeschlagenen Regelungen aufdringlich manifest, stellte sich prompt Widerstand anderer Staaten ein, die ihre uberkommenen Rechtsinstitute in die neue Zeit gerettet sehen wollten.^° Mir scheint es insoweit ein gliicklicher Zufall der Rechtsgeschichte gewesen zu sein, daft Puchta durch seine Lehren rechtzeitig fiir ein BewuBtsein umdie Bedeutung von koharenter Inhaltsfestlegung und deutlicher Terminologie und damit fiir anwentfbare Werkzeuge gesorgt hatte. Seine Methodologie scheint mir viel dazu beigetragen zu haben, dais das Problem der Rechtspolitik der Protokoll der zweiten Sitzung vom 19. September 1874; Schubert: Materialien (Fn. 26) S. 207. Siehe Schubert: Bayern und das Biirgerliche Gesetzbuch (Fn. 27) S. 30-^1; sielie auch Fn. 35. dem Biirgerlichen Gesetzbuch siehe auch Stephan Buchholz: Abstraktion - Zur Rechtslagc vor und Immobiliarrecht. Zur Geschichte der Auflassung und der Grundschuld. (lus commune. Sonderheft 8.) Frankfurt am Main 1978.
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