Hans-HeinrichVogel 232 Zu dieser vielschichtigen rechtspolitischen Problematik kamdie organisatorische: Der Norddeutsche Bund, zu dessen Zeiten die meisten der Gesetzgebungsvorhanden geplant und teilweise auch schon verwirklicht wurden, war ein Bundesstaat, an dessen Spitze ein Priisidium, keine Regierung im heutigen Sinne stand. Auch eine feste Ministerialorganisation gab es zur Zeit des Norddeutschen Bundes noch nicht. Die friihen Kodifikationsarbeiten mulsten in der Regie des Bundesrates stattfinden, wie es z. B. mit den späteren Reichsjustizgesetzen der Fall war, oder aber, wie es bei der Ausarbeitung des Strafgesetzbuches gemacht wurde, der Ministerialorganisation eines Bundesstaates iibertragen werden. Auch dem späteren Deutschen Reich fehlte anfangs noch eine feste Regierungsorganisation; es wurde geleitet von einem Reichskanzler und Staatssekretaren mit zentralen Reichsämtern, die sich erst zur Jahrhundertwende hin zu voll ausgestatteten Ministerien entwickelten. Wie konnte die zur Zeit der Kodifikationsarbeiten im Entstehen begriffene, noch wenig strukturierte Ministerialorganisation des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs so umfassende Kodifikationsprojekte ohne jegliche Ausnahme gliicklich zu Ende ftihren? Hatte hier vielleicht die Rechtswissenschaft eine Schliisselfunktion? 1st sie der Ministerialorganisation zu Hilfe gekommen, hat sie - als politisch neutrale Kraft - die Vollendung der Kodifikationen möglich gemacht? War das in den Kodifikationen niedergelegte Recht also ein Professorenrecht? Antworten auf diese Fragen verlangen umfassende Untersuchungen nicht nur der Kodifikationsgeschichte imengeren Sinne und vor allemder Vorarbeiten zu den Kodifikationen; die vielen kleinen und grolsen Gesetzeswerke miissen auch im Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung und der politischen Ereignisse in Deutschland sowohl auf der Ebene des Korddeutschen Bundes und des Reichs, als auch auf der Ebene der Bundesstaaten verstanden werden. Die Möglichkeiten solchen Verstandnisses haben sich in den letzten 15 jabren geradezu dramatisch verbessert. Durch die vielen Quelleneditionen Werner Schuberts und insbesondere die zahlreichen Bände der von ihm und Horst Heinrich Jakobs besorgten umfassenden Ausgabe von Quellen'*'* zur Entstehung des Biirgerlichen Gesetzbuches und der nut ihm zusammenhängenden 1. Teilband S. 3 und 211-317. Siehe auch die Mitteiluni; uber einen weiteren Fntwurl Gebhards bei Manfred Wochner: Gesamtstatut und Kinzelstatut. In: Recht.swis.senschaft und Gesetzi;ebun^, lA'stscbrift fiir Eduard ^’ahl. Heidelberg 1973. S. 161-1S4 (aul S. 164). - Pri>blemati.sch \\ aren in der Reichstagskommission auch das Dienstvertragsrecht und das Recht der unerlaubten Handlungen. Zum Gesinde- und Dienstvertragsrecht siehe auch Schubert: \'orlagen (Fn. 26'i Eintuhrungsgeset? zum Biirgerlichen Gesetzbuch S. 247-318 und Jakobs-Schubert: Beratung (Fn. 26) Recht der Schuldverhaltnisse II §§433-651 S. 741-831 (leweils Abschnitte D. Bundesrat/Justizausschuls und E. Reichstag/Xll. Kommission zu den emzelnen \’orschriften des Dienstvertragsrechts). Zum Recht der unerlaubten Handlungen siehe Jakobs-Schubert: Beratung (Fn. 261 Recht der Schuldverhaltnisse III §§652-833 S. 872-1 IOC (insbesondere S. 977-984 S. 1013-1026 zur Amtshaftung). Siehe msbesondere Fn. 26. \X ildschadenshattung und zur
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