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Wilhelm Brauneder 10 Zu dieser manchen Materien gleichsam imanenten Sogwirkung traten als weiterer Motor rechtspolitische Zielvorstellungen. Hiezu zählte ganz grundsätzlich die Idee der staatlichen Rechtseinheit, in Nationalstaaten zudem verstanden als einer der Faktoren ethnischer Gemeinsamkeit. Schon 1863 sprach der sächsische Justizminister bei der Eröffnung der Obligationenrechts-Kommissionssitzungen vom „Drang nach einer gröBeren Einigung des gemeinsamen deutschen Vaterlandes"^^ — noch war man, gerade in Sachsen, von 1866/ 1871 weit entfernt. Ein niichterneres Ziel sab man in der handelspolitischen Niitzlichkeit. Als die ADWOimgesamten Staatsgebiet Österreichs eingefiihrt wurde, wertete man es als einen Vorteil fiir den Handel, wenn fiir 70 Millionen Einwohner in Deutschland und Osterreich (samt Ungarn) „von der Nordsee bis zum Adriatischen Meere, vom Rhein bis an den Pruth und die untere Donau nur ein Wechselrecht gilt".^"* einheitlichung erwiinscht. So fafite man in Osterreich das Deutschland und Gesamt-Österreich umfassende Geltungsgebiet des ADHGB als eine VorAuch allgemein-politisch war Rechtsveraussetzung fiir die Zollunion zwischen dem Deutschen Zollverein und dem Kaiserreich Osterreich auf.^^ Auch im reaktionären Sinne konnte die Rechtsvereinheitlichung als wiinschenswert erscheinen: Eine Einzelmeinung sah in einer nationalen Gesetzgebung durch den Monarchen ein Mittel zur VerhindeRevolutionen!^^ Schliefilich wurde die Rechtseinheit niichtern als rung von Rechtssicherheit gedacht wie in Osterreich bei der Einfiihrung des Strafgesetzes 1852 auch in Ungarn. Zufolge derartiger Zweckerwägungen bestimmten oft blol? pragmatische Vorbilder und Materialien die Rechtsvereinheitlichung. So gab es in den Vorarbeiten zu einem Handelsgesetzbuch-Entwurf in der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt am Main 1848/49 einen internationalen Bezug:^^ Als Vorbild nahm man sich hier unter anderem auch das Recht Englands als das „des ersten Handelsvolkes der Erde“. Den BGB-Vorarbeiten lag eine Fiille ganz unterschiedlicher Materialien zugrunde wie neben Einzelgesetzen und den höchst unterschiedlichen lokalen Rechten auch die grol^en Zivilrechtskodifikationen ALR und ABGB sowie Code Civil und natiirlich die Darstellungen der Pandektistik.^’ Wie sehr sich aus der Vielfalt des nationalen Rechts ein Einheitsrecht herausdestillieren liel?, zeigt besonders das Ehegiiterrecht des Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines Allgemeinen Deutschen Obligationenrechts, Dresden 1863,1-LXII, 2. Beilage-Heft, wie Fn. 27. Ch. Bergfeld, Preufien und das Allgemeine Deutsche Flandelsgesetzbuch, in: lus Commune XIV(1987), 110. Getz, wie Fn. 36, 133. Kundmachungspatent zu RGBl 117. Baums, wie Fn. 17, 56. Dölemeyer, wie Fn. 46, 1604 ff.

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