Reiner Schulze rechtsentwicklung „jenseits der Illusionen von Kodifikationen und Gesetzgebern“ richtet ein anderer Arbeitsansatz sein Interesse auf einc baldige Kodifikation des Zivilrechts durch die Europäischen Gemeinschaften/^ Er erstrebt mithin fiir das heutige Europa die Rechtseinheit auf zivilrechtlichemGebiet in der Form und mit dem Mittel, wie die Nationalstaaten seit dem fruhen 19. Jahrhundert iiberwiegend ihre Rechtseinheit herzustellen pflegten. Ermutigt sieht sich diese Richtung durch die Entschliel^ung des Europäischen Parlaments^^ von 1989 iiber die Verwirklichung der Rechtseinheit auf dem Gebiet des Zivilrechts. Fine derartige Ubertragung des Kodifikationsgedankens aus der nationalstaatlichen Tradition auf das europäische Privatrecht mag auf den ersten Blick naheliegend und sogar faszinierend erscheinen. Sie weckt die Hoffnung, dafi die Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes umfassend durch ein einheitliches Privatrecht ausgestaltet werden könnten und rechtssystematisch so die eigenartige „insulare“ Entwicklung des Gemeinschaftsrechts auf Sondergebieten des Privatrechts^* (namentlich Wettbewerbs-, Gesellschafts- und Arbeitsrecht) und in Einzelbereichen des Biirgerlichen Rechts (wie Verbraucherkredit und Produkthaftung) durch den Bezug auf allgemeine Regeln des Zivilrechts iiberwunden wiirde. Bei näherer Betrachtung mufi es jedoch höchst fragwiirdig werden, ob dem europäischen Privatrecht unserer Zeit angemessen ist, was einst der Vereinheitlichung des nationalen Privatrechts dienlich war. Zweifel weckt nicht nur die offene Frage der rechtlichen Kompetenz der Gemeinschaftsorgane fur eine umfassende gesetzgeberische Gestaltung des Zivilrechts durch Rechtsverordnung oder Richtlinie.^^ Höchst ungewifi erscheint es auch, ob selbst bei einem Bestehen dieser Kompetenz ein derartiges Vorhaben die erforderliche politische Akzeptanz fände. Ein europäisches Zivilrecht durch die Gemeinschaftsorgane in Kraft setzen zu wollen, diirfte derzeit jedenfalls kaum auf eine nur annähernd gleiche Zustimmung treffen, wie der ErlaB der meisten nationalen Zivilgesetzbiicher im 19. Jahrhundert. Die volonté générale böte angesichts der marginalen Rolle des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsverfahren rechtlich nur sehr vermittelt und politisch damit wenig iiberzeugungskräftig eine Legitimationsbasis. Gerade die jiingsten Entwicklungen nach den Beschliissen von Maastricht deuten eher darauf hin, daB es demZusammenwach210 Tilmann, Ansätze und Leitlinien (Fn. 3), S. 7 f.; ders., Entwicklung eines europäischen Zivilrechts (Fn. 3), S. 500 ff.; ders., EG-Kodifikation des wirtschaftsnahen Zivilrechts, in; JZ 1991, S. 1023 ff.; differenzierter aber beispielsweise Kramer (Fn. 4), S. 24 ff.; Remien (Fn. 2), S. 280 f. EntschlieEung vom 26.05.1989, in: Amtsblatt EG Nr. C 158/400 f. vom 26.06.1989, Dok. Az-157/89, Abdruck vorgesehen in ZEuP 1993, Heft 3. Vgl. Ulmer (Fn. 2), S. 4. Zu dieser Frage Miiller-Graff, Gemeinsames Privatrecbt (Fn. 13), S. 332 ff. mit weiteren Nachweisen; Uwe Blaurock, Wege zur Rechtseinheit im Zivilrecht Europas, in: Christian Starck (Hrsg.), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetze — Bedingungen, Ziele, Methoden, Göttingen 1992, S. 90 ff. (S. 103 ff.).
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