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Rfiner Schulze — um nur ein weiteres Beispiel zu nennen — die deutsche Pandektenwissenschaft den jeweiligen Rechtswissenschaften von Frankreich iiber Italien bis Rutland zahlreiche Impulse gab.^° Soweit sich die Vorstellung der eigenständigen Entwicklung des nationalen Rechtssystems aus sich selbst heraus mit einer nahezu uneingeschränkten Zuwendung zum Kodifikationsgedanken verband (fiir das deutsche Biirgerliche Recht nach der Ablehnung der Kodifikation durch Savigny^' erst verhältnismäBig spät), verhärtete sich die theoretische Selbstbeschränkung der Privatrechtswissenschaft auf das nationale Recht weithin unter den Vorzeichen des Gesetzespositivismus. Indem Recht und Gesetz identifiziert^^ und das Gesetz lediglich als Produkt der Gesetzgebung des jeweiligen Staates verstanden wurde, reduzierte sich das Recht auf eine blofie Summe durch Gesetzgebung geschaffener Rechtssätze. Welche historischen Entwicklungen verschiedene nationale Gesetzgebungen verbanden, welche aus diesen Entwicklungen hervorgegangenen Begriffe und Prinzipien den nationalen Rechtsnormen gemeinsam zugrundeliegen, erschien nicht als eine zentrale Frage der Rechtswissenschaft, sondern wurde durch die Fixierung auf die Normen, die die Gesetzgeber insbesondere in Gestalt der Kodifikationen geschaffen hatten, zu einem Randgebiet rechtswissenschaftlichen Interesses. Das Selbstverständnis der Privatrechtslehre als nationale Wissenschaft und die Fixierung auf die nationalen Kodifikationsleistungen vor allem des 19. und friihen 20. Jahrhunderts sind indes im Laufe unseres Jahrhunderts mehr und mehr in Widerspruch geraten zur fortschreitenden Internationalisierung von Kommunikation und Wirtschaftsverkehr und zur uniibersehbaren Fortentwicklung und Differenzierung des Privatrechts aufterhalb der Kodifikationen. Die Zahl und Bedeutung der Spezialdisziplinen, die der Internationalisierung des Privatrechtsverkehrs Rechnung trägen, wächst: Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung, seit neuerem Gemeinschaftsprivatrecht iiberbrucken die Kluft zwischen der nationalen Tradition der jeweiligen Privatrechtswissenschaft und der Internationalisierung ihres Gegenstandes. Die Privatautonomie gestattet ohne Beteiligung des Gesetzgebers die ständige Anpassung des Privatrechts an neue Erfordernisse gerade unter Einbeziehung der Impulse aus anderen Ländern und der Bediirfnisse des internationalen Rechtsverkehrs (wie 206 Pasquale Beneduce, „Germanisme, la terrible accusation". Fremde Lehrsysteme und Argumentationsweisen während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Reiner Schulze (Hrsg.), Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 105 ff., Berlin 1990; Alfons Biirge, Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, lus Commune Sonderheft 52, Frankfurt a. M. 1991. Savigny in seiner Programmschrift „VomBeruf unserer Zeit fiir Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" (Fn. 33) in Kontroverse mit Thibaut; vgl. hierzu Going (Fn. 5), Bd. II, S. 16 ff.; Hans Hattenhauer, Thibaut und Savigny, Miinchen 1973. Fiir diese Entwicklung in zahlreichen Ländern beispielsweise jiingst Bartolomé Clavero, Der Gode Napoléon und die Konzeption des Rechts in Spanien, in: Schulze (Fn. 26).

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