RS 19

Wilhelm Brauneder 8 1)Technische Materien Zur ersten Kategorie an Materien zählten jene, die „nicht auf lokale oder provinzielle Verhältnisse“ gegriindet seien.^^ So gait das Wechselrecht als ein stark rechtstechnisches Sondergebiet: Hier geniige es, „die klare und richtige Auffassung der Natur des Wechselinstitutes“ zu normieren, das „von keiner Nationalitätsfrage“ beriihrt werde — daher könne die ADWO auch in Ungarn und Kroatien eingefiihrt werden.^^ Im Handelsrecht sah man „ein unmittelbares Erzeugnis des praktischen Verkehrs"^^ auf den Grundlagen von „Gewohnheit und Gebrauch". Seine Vereinheitlichung schaffe daher kein neues Recht, sondern solches, das im „Bewufitsein (des Handelsstandes) bereits als Recht gilt“.^® Bei derartigen Materien war man der Meinung, hier könne die Rechtseinheit amleichtesten befriedigt werden".^^ 2)Materiell identische Materien Als weitere Gruppe sah man jene Materien an, die zwar in verschiedenen staatlichen Gesetzen geregelt waren, aber materiell gleiches Recht darstellten. Insbesondere traf dies auf die Länder des sogenannten gemeinen Rechts und zum Teil auch auf jene mit Kodifikationen zu, da hier iiberall das rezipierte Römische Recht eine gemeinsame Basis abgab/^ In diesem Sinne gait das Schuldrecht d deutschen Staaten und der schweizerischen Kantone als eine materiell nahezu einheitliche Materie. Auch die Grundsätze des Zivilrechts wurden aus diesem Grund als identisch angesehen."*’ Bei derartigen Materien sollte daher die formelle Rechtseinheit unschwer herzustellen sein."*’ 3)Unterschiedliche Materien Eine wichtige Gruppe an Materien stellte jene dar, die „durch angeborene oder angewohnte Volkseigentiimlichkeiten getragen“ sei, d h. „von Einfliissen der Standesverschiedenheit und Landesart“ bzw. von den „Verhältnissen und Bediirfnissen des Landes".'*^ Hieher zählten insbesondere Ehegiiterrecht, Erbrecht, Grundpfandrecht bzw. in den Schweizer Kantonen zum Teil auch das gesamte Zivilrecht in Hinblick auf dessen unterschiedliche französische, deutsche oder italienische Tradition. Aus ähnlichen Griinden zählten manche B. Francke, Dresdner Entwurf eines Allgemeinen deutschen Gesetzes iiber Schuldverhältnisse von 1866, Dresden 1866 (Neudruck Aalen 1973), III. Ch. Bergfeld, Deutschland, in: Going, wie Fn. 17, 2944; Beilage-Heft, wie Fn. 27. Baums, wie Fn. 17, 24. Ebda, 54. ’’ Erancke, wie Fn. 36, III. « Ebda. ■" A. Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, 4. Aufl. 1991, 203. ■*’ F. Laufke, Der Deutsche Bund und die Zivilgesetzgebung, in: Festschrift Hermann Nottarp, 1961,15. Francke, wie Fn. 36, III.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=