Al l.GKMl-INH RKCHTSGRUNDSÄTZF UND ENTWIGKLUNG. . . 203 Zivilrechts auf der Grundlage des Gode Civil mit der älteren Tradition der gemeinrechtlichen Jurisprudenz. Denn das Fehlen eines Verweises auf principes généraux du droit hinderte die forensische Praxis nicht etwa durchweg, zur Interpretation und Ergänzung des Gesetzes auf derartige Grundsätze - auch und gerade, wenn sie dem älteren lus Commune entstammten — zuriickzugreifeiT^'^ (und sie stand damit durchaus nicht im Widerspruch zu den Vorstellungen etwa eines Portalis bei der Ausarbeitung des Gesetzbuchs-^*^). Fiir die deutschsprachigen Gebiete links des Rheins, die bis 1814 zu Frankreich gehörten, lag in derartiger Verbindung von französischem Recht und gemeinem Recht schon während der napoleonischen Zeit eine Vorbereitung fiir die sich sodann seit 1815 stellenden Aufgaben. Denn in diesen Gebieten blieb der Gode civil trotz der Zugehörigkeit zu deutschen Staaten (und seit 1871 zum Deutschen Reich) bis zumEnde des 19. Jahrhunderts in Geltung.'^° Damit wurde es erforderlich, die Anwendung des Gode Civil durch deutsche Juristen mit der Fortentwicklung, die die deutsche Rechtswissenschaft vornehmlich als Pandektenwissenschaft auf Grundlage des römischen Rechts nahm, zu vereinbaren. Die häufige Verbindung des französischen Rechts mit Rechtsgrundsätzen des gemeinen Rechts in der Judikatur ebenso wie die wissenschaftlichen Bemuhungen um Vergleich und Synthese beider Rechte zeigen in diesem Beriihrungsraum zweier Rechtskreise das Bestehen teilweise durchaus kompatibler Grundstrukturen in den verschiedenen europäischen Gestaltungen des Zivilrechts selbst imZeitalter des Nationalstaats an.'^' e) ImVerlauf des 19. und 20. Jahrhunderts hat sich der Begriff der allgemeinen Rechtsgrundsätze iiberdies im Internationalen Recht als verbindendes Element zwischen den Staaten und nationalen Rechtsordnungen etabliert. Ihm haben nicht nur eine Reihe völkerrechtlicher Vorschriften eine herausragende Stellung zugewiesen (z. B. Art. 38 Statut des Internationalen Gerichtshofs und damit die Satzung der Vereinten Nationen, Art. 92 UNO-Satzung); die Frage des naturrechtlichen oder positivrechtlichen Charakters der allgemeinen Rechtsgrundsätze fordert die Rechtsquellenlehre des Völkerrechts in diesem Zusammenhang weiterhm zu lebhaften Diskussionen heraus.'*^ Auch die VerAntonio Grilli, Das linksrheinische Partikularrecht und das römische Recht in der Rechtsprechung der Cour d’Appel/Cour Imperial de Tréves nach 1804, in: Schulze (Fn. 26). Vgl. die Rede Portalis’ vom 21.10.1802, abgedruckt bei Antoine Fenet, Recueil complet des travaux preparatoires du Gode Civil, 15 Bde., 1827, Bd. VI, S. 359.; dazu auch Grilli (Fn. 38) in Fn. 24. ■*° Dölemeyer, Kodifikationen und Projekte, in: Going, Handbuch (Fn. 34 und 31), S. 1441 ff. (1441 f., 1457 fl.); Hans-Jiirgen Becker, Das Rheinische Recht und seine Bedeutung fur die Rechtsentwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: JuS 1985, S. 338 ff. ■*' Schulze (Fn. 5), S. 23; Elmar Wadle, Französisches Recht und deutsche Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, in: Schulze, Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte (Fn. 5), S. 201 ff. (insbes. 209 ff.). ■*’ Jean Spiropoulos, [)ie Allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht, eine Auslegung von
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