194 Rhinfr ScHL'1,/1' lich mit recht unterschiedlichen Bedeutungsgehalten und zuweilen eher assoziativ als präzise definiert gebraucht. Dazu mag auch beitragen, dafi sie in den einzelnen nationalen Rechtstraditionen mit unterschiedlichen Vorstellungen und Erfahrungen verkniipft sind, ohne dab dies bei ihrer Anwendung auf die internationalen Entwicklungen in Europa und auf das neue supranationale Recht der Europäischen Gemeinschaften stets hinreichend bedacht wird. Aus der Ftille derartiger Begriffe, die weiterer Klärung in internationalem Diskurs bediirften, soli bier lediglich einer in seiner geschichtlichen Bedeutung und seinen möglichen Funktionen fur das europäische Privatrecht der Gegenwart angesprochen werden: Die principia generalia (iuris), principes généraux du droit, „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ haben in der Geschichte ebenso zur Entwicklung der nationalen Rechte wie zur Verbindung zwischen den nationalen Rechten beigetragen, sind zu einer gemeineuropäischen Kategorie des juristischen Denkens geworden und lassen fiir die Gegenwart nach gemeinsamen Inhalten hinter der Vielfalt nationaler Ausgestaltungen des Rechts in Europa fragen. Mehr als die Rechtswissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ als Mittel zur Darstellung und Fortentwicklung der Gemeinsamkeiten des europäischen Rechts zu nutzen gewubt.^ Diese Kategorie war in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen bekannt, und sie war auch im internationalen Recht längst eingefiihrt/ In die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft war sie ebenfalls aufgenommen worden.*^ Uber diese Ausgangspunkte hinaus hat sie sich in der Judikatur des Gerichtshofs zu einem der mabgeblichen Faktoren fiir die häufig erörterte „Dynamik schaftsrechts entwickelt. Weit fiber das vertragliche und das „gesetzte“, auf legislatorischem Weg geschaffene Gemeinschaftsrecht hinaus gestaltete der Europäische Gerichtshof mit dem begrifflichen Instrument der allgemeinen Rechtsgrundsätze die Grundfreiheiten und Grundrechte aus,*'^ bildete Kern- *’ Dazu Werner Lorenz, General Principles of Law, their elaboration in the Court of Justice of the European Communities, in: American Journal of Comparative Law 13 (1964), S. 1 ff.; H.J. Rueber, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Konkretisierung allgemeiner Rechtsgrundsätze, Köln 1970; Helmut Lecheler, Der Europäische Gerichtshof und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, Berlin 1971; Gregorio Robles, La Cour de Justice des CE et les principes généraux du droit, 1988; Guy Guillermin, La Cour de Justice des Communautés Européennes et les principes généraux du droit, 1990. ^ So z. B. in Art. 38 Ziff. 3 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 13.12.1920 (Art. 38 Ziff. 1 lit. c des neuen Statuts vom 24.10.1945), in der Präambel der Haager Landkriegsordnung von 1907 sowie im Deutsch-Schweizerischen Schiedsgerichts- und Vergleichsabkommen vom03.12.1921. * Art. 215 Abs. 2 EWGV, Art. 188 Abs. 2 Euratom. Georg Ress/Roland Bieber (Hrsg.), Die Dynamik des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Baden-Baden 1987, mit Einfiihrung ders. auf S. 13 ff; GroEfeld/Bilda (Fn. 2), S. 421. Grundlegend hierzu waren die Urteile des EuGH vom 12.11.1968, Rechtssache (RS) 29/69, « 9 des Gemein-
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