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Jan Schrödf.r - wie und vor welchem Hintergrund in der deutschen Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts die Theorie von der Einteilung des Rechts in öffentliches und privates Recht entstanden ist (I.), und — ob diese Theorie eine spezifisch naturrechtliche ist (IE). 180 I. Die Entstehung der Einteilung des Rechts in öffentliches und privates in der deutschen Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts und deren Hintergriinde 1. Friihes und mittleres 18. Jahrhundert a) Der Umfang des öffentlichen und privaten Rechts „Ius publicum" wird in der Regel definiert als das Recht zwischen dem Herrscher und den Untertanen, „ius privatum" als das Recht der Untertanen untereinander.^ Das klingt an sich vertraut, wird aber fremdartig, wenn man die genaueren Bestimmungen also die Begriffsextension sieht. Zedlers Lexikon (1744) setzt ,Jus Publicum" mit Staatsrecht gleich, und es bedeutet „nichts anders, als denjenigen Theil der Rechtsgelehrsamkeit, darinnen von der Verfassung eines biirgerlichen Staats und insonderheit von den Pflichten und Rechten der Regenten und Untertanen gegeneinander gehandelt wird, oder aber die Fundamental- und Reichs-Grund-Gesetze, so in der Regierung eines Staats zu beobachten sind"."^ „Ius publicum" ist also nur das Staatsverfassungsrecht. So spricht etwa auch Daniel Nettelbladt, der bekannte Jurist und Wolff-Schiiler, von öffentlichen oder Fundamentalgesetzen^ und stellt sein Zeitgenosse, der beruhmte Göttinger Publizist Johann Stephan Putter die „burgerlichen Privatgesetze" den „Grundgesetzen des Staats" gegeniiber.^ In diesem Begriff des öffentlichen Rechts fehlen wesentliche Teile, die heute zu ihm gerechnet werden, vor allem das Verwaltungsrecht, das Strafrecht und das Prozel?- und Zwangsvollstrekungsrecht. Ich iibergehe das Verwaltungsrecht, fiir das man erst im 19. Jahrhundert einen einheitlichen Begriff findet, und beschränke mich auf das Strafrecht und das Prozefi- und Zwangsvollstrek- ^ Siehe etwa Joachim Georg Darjes: Institutiones iurisprudentiae universalis (1746), 6. Ausg. Jena 1764, §661, S. 382; Daniel Nettelbladt; Systema elementare universae iurisprudentiae positivae, 2. Ausg. Halle 1762, Prolegomena § 14, S. 8; ders.: Systema elementare universae iurisprudentiae naturalis, Pars III: lurisprudentia naturalis civilis, Halle 1762, §§ 176, 178, S. 78 f., 80; Gottfried Achenwall: lus Naturae, 7. Ausg. Göttingen 1774, Pars Posterior, §87, S. 67 f. ■* Johann Heinrich Zedler (Verleger): Grofies vollstandiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Kiinste, 25 (Leipzig und Halle 1740), Sp. 676. ^ D. Nettelbladt (Naturrecht, Fn. 3), P. Ill, § 176, S. 78 („leges publicae seu fundamentalcs"). ^ Johann Stephan Putter: Neuer Versuch einer Juristischen Encyclopadie und Methodologie, Göttingen 1767, S. 15. Dementsprechend findet man auch anstelle der Einteilung der Gesetze m private und öffentliche die in fundamental und nicht-fundamentale, so bei Johann Balthasar Wernher: Elementa iuris naturae et gentium, Wittenberg 1704, §33, S. 99. Vgl. auch die zahlreichen Belege bei E. Ehrlich (En. 2), S. 214 ff.

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