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Der naturrechtslehrer als weltburger des rechts 147 Natur des Rechts zu gewinnen. Gemäft der naturrechtlichen Doktrin wurde damit das positive Recht ein Ausdruck fiir „das begrenzte Kenntnisvermögen und den lasterhaften Willen des Menschen“.^ 2. Das Systemdes Naturrechts Das Naturrecht stellt die höchste Einheit dar, die alles sonstige Recht hervorbringt und bestand aus einer inneren Ordnung apriorischer Rechtssätze. Kraft seiner Vernunft — ausgeriistet mit den sogenannten angeborenen Ideen — war der Jurist in der Lage, die naturrechtlichen Sätze in der Naturrechtslehre abzubilden. Das System naturrechtlicher Begriffe und Prinzipien, das das Ergebnis dieser Arbeit wurde, war, gemäl5 der Theorie, ein Abbild der Natur des Rechts, dessen ontologisch wahrer Objektform, d. h. ein aufierhalb der Vernunft gegebener apriorischer Zusammenhang. Die wahre Natur des Rechts — das Naturrecht — war hierarchisch geordnet, weshalb die Naturrechtslehre als ein Abbild dieselbe Struktur bekommen mul^te: jedes höhere Begriffsniveau driickte einen höheren Grad Allgemeingiiltigkeit aus. Die Theorie setzte voraus, dafi das Naturrecht mit Hilfe der induktiven oder demonstrativen Methode abgebildet werden konnte. Man stellte sich das Naturrecht als eine Kausalkette von natiirlichen Verpflichtungen und Rechten vor, die als Grund und Folge untereinander einhakten: „Constans nimirum omnium obligationum ac jurium inter se nexus est, ut alia ex alns deduci contmuo ratiocmationis filo possint, &ventatum inter se connexarum compagem constituant, quod systema appellatur, ac a nobis systema veri nominis dici solet [. . In der Naturrechtslehre konnten folglich alle einzelnen Begriffe und Prinzipien schrittweise zu immer höheren Einheiten zuriickgefiihrt werden, um schlie£lich die höchste Einheit zu unterwerfen. Die Naturrechtslehre stellte ein an sich notwendiges und wahres Abbild der Wesensrelationen des Naturrechts dar. Die wahre Kenntnis iiber das Recht ging deshalb nicht direkt aus dempositiven Recht hervor, sönder mul^te durch ein philosophisches Denken extrahiert werden. Das bedeutete, dal? die Vernunft mit Hilfe der angeborenen Ideen und der demonstrativen Methode die Erfahrungserkenntnis iiberschreiten und das Wesen des Rechts erreichen konnte. Mit Hilfe eines Cicero-Zitats stellte also Christian Wolff fest: „non ex duodecim Tabulis, nec ex edicto praetorum, sed penitus ex intima philosophiaJuris scientiamhauriendamesse. «7 ^ Ickstatt, J. A., Meditationes praeliminares de studio juris, Wurzburg 1731, S. 116. Wolff, C., InstitutionesJuris Naturae et Gentium, Halle 1763, § 62. ^ Wolff, InstitutionesJuris Naturae, Praefatio.

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